Cartagena Beach

Cartagena Beach

Donnerstag, 30. Juli 2015

Bonanza - Urlaub auf der Estancia

Paraguay hält uns länger in seinem Terretorium als eigentlich gedacht, doch wir genießen es sehr. Nach einer weiteren Nacht im Haus am See brechen wir auf, um mit Jochen und Helga zur Estancia zu fahren. Ein wenig Sightseeing gibt es auf dem Weg, als wir an der riesigen Kirche vorbei fahren, die einmal im Jahr als Pilgerziel für abertausende Paraguayer dient. Die Estancia liegt in der Nähe der Colonia Indepedencia, in der es mal wieder deutschelt. Vorbei an den Plakaten von Willys Metzergerei verlassen wir die asphaltierte Straße, rumpeln ein wenig über Kopfsteinplaster, roten Lehm und wilde Brückenkonstruktionen und erreichen schließlich das erste Tor, durch das man auf das 1800 ha große Areal der Estancia Temi kommt. Die Gebäude des Haupt- und Gästehauses liegen leicht erhöht oberhalb eines Sees, den Jochen Ende der 80er Jahre aufgestaut hat. Ringsrum sind einige Einzäunungen, in denen sich Kühe mit ihren Kälbern und einige Pferde bewegen, immer auf der Suche nach dem nächsten leckeren Grashalm. Jetzt im "Winter" ist es hier sehr grün, es gab in den vergangenen Wochen viel Regen, so dass die Böden gesättigt sind und wir uns an den winterlichen Temperaturen von nur 32°C erfreuen können. Unter azurblauem Himmel lärmen Kibitze und andere Vögel, die zur Estancia gehörenden Gänse marschieren ordentlich aufgereiht immer wieder an den Häusern vorbei - mutet beim Lesen vielleicht kitschig an, ist aber in Wirklichkeit wunderschön.
Am ersten Abend erwartet uns eine echte Premiere, denn nach dem Abendessen sitzen wir im Dunkeln auf der Terasse vor dem Haus (seit ca. 18 Uhr ist es duster), als sich über dem Saum der Baumkronen der Himmel zunächst leicht, und dann immer deutlicher erhellt: Dick und rund schiebt sich der Mond über die Bäume und wir erleben unseren ersten Mondaufgang!
Der zweite Tag auf der Estancia beginnt früh mit einem Sonnenaufgang, den sich verschlafene Panning-Augen vom Bett aus anschauen, in der Hoffnung, gleich noch einmal einzunicken - wäre da nicht der um 6 Uhr schon hellwache Jasper, der am liebsten schon sofort und im Schlafanzug zu den Hunden rausgehen möchte. Nach dem ausgiebigen Frühstück und etlichen Laufrad-Runden erkunden wir die Estancia: Bei einem Rundgang um den See erklärt Jochen viel zur Bewirtschaftung der Farm und zur Aufzucht der Rinder, dass sie hier auch Zuckerrohr anbauen aber eher nur zum Zufüttern im Winter, denn zur Zeit bringt Zuckerrohr in Paraguay nicht viel ein, es wird viel aus Brasilien hereingeschmuggelt. Gut läuft das Geschäft mit dem Tee, Jochen baut auf einer großen Fläche Mate an (herzliche Grüße an Katja an dieser Stelle!), im Jahr verkauft er 110 000 kg Tee an die nahegelegene Teemühle. Weiter geht's im Programm und Jochen holt den Traktor raus und lädt zu einer Runde ein - wer fahren darf, seht ihr auf dem Bild! Am Nachmittag stärken wir uns nach der Siesta mit einem Kaffee, bevor Heini, der Capataz (Aufpasser und Jochens rechte Hand) die gesattelten Pferde bringt. Heini hat zusammen mit seiner Frau Estella sechs Kinder, mit denen sie zuhause nur Guarani, die Sprache der Indianer spricht, auch wenn Estella den Nachnamen Neukirchinger trägt. Heini und auch sein Bruder Manfred, den wir am Abend kennenlernen, sprechen Deutsch, Manfred tut dies mit deutlich schwäbischem Einschlag! Wir drehen eine Runde, auf der wir von den Hunden Paul und Ajeno begleitet werden. Wir reiten einige Zäune ab und erreichen eine der Viehherden, die viele Jungtiere haben. Derzeit gibt es etwas mehr als 1000 Tiere hier, dabei handelt es sich um eine eigene Kreuzung zwischen Angus- und Cebu-Rind. Es macht uns allen sehr viel Spaß, allen voran natürlich Jasper, der am Anfang etwas konstaniert drein blickte, als er wider Erwarten nicht ein Pferd alleine bestieg, sondern mit mir zusammen den Sattel teilte.

And now something completely different....

¿Que estamos haciendo? Gerade sitzen wir auf einer Estancia im Chaco, dem Nordwesten Paraguays, und während ich diese Zeilen schreibe, höre ich deutsche Musik im Radio, die wohl eindeutig der Kategorie 'Schlager' zuzuordnen ist. Die Estancia Iparoma ist 20km von Fernheim (Filadelfia) entfernt und liegt somit mitten im Chaco. Auf dem schnurgeraden Weg hierher haben wir Flamingos, Reiher, Geier, Störche, Strauße und einen Haufen anderer Tiere gesehen und haben uns gefragt, was Menschen dazu bringt, sich hier niederzulassen - denn wir sind ja zum Glück im Winter hier und schwitzen bei 30°Grad und mehr deutlich stärker als dass es das Wort 'dezent' andeutet! Landwirtschaft und Viehzucht sind hier die beherrschenden Themen und die Kolonisten, die sich hier vor 200 Jahren ansiedelten, konnten hier große Flächen erwerben. Die meisten sind Mennoniten und sprechen - so wie Gerald Wohlgemuth, auf dessen Estancia wir heute campieren, ein Deutsch, dessen Akzent ein bißchen an den der Luxemburger erinnert. Nur die Stimme im Radio, die bei Wüsten-Temperaturen ein Rezept für Schoko-Mandel-Kuchen durchgibt, ist akzentfrei, als wir die Schlagloch-Piste der Ruta 9 befahren, die zwischenzeitlich alle Slalomkünste von Markus fordert.
Doch warum sind wir überhaupt in dieser Ecke des Kontinents gelandet? Von unserem Stopp in Santo Tomé/Argentinien nahmen wir Kurs auf Areguá, 30 km südöstlich von Asunción. Dort wohnen Helga und Jochen Langer, die wir in den vergangenen Tagen kennen und schätzen gelernt haben. Dass diese Begegnung überhaupt zustande kam, ist einem zufälligen Treffen vor dem Marienauer Haupthaus zu verdanken. Jochen war in den 1950er Jahren für zwei Jahre in Marienau im Internat und machte eine Stippvisite bei seiner ehemaligen Schule im Mai. Wir unterhielten uns kurz und die Begegnung war so freundlich, dass ich mich ermutigt fühlte, auf seine Einladung zu rekurrieren, mich zu melden, wenn wir im Sommer nach Südamerika kämen. Gesagt, getan, und so steuerten wir das Haus mit dem großen roten Dach an und wurden sehr herzlich aufgenommen. Dass wir dort überhaupt ankamen, haben wir einer der "Erdbeer-Frauen" an der Ruta Areguá-Patiño zu verdanken, denn als es dunkel wurde, waren wir nur noch wenige Kilometer vom Haus entfernt, aber unser Navi funktionierte nicht richtig, weshalb wir gerne anrufen wollten, um uns lotsen zu lassen. Doch mein Handy verweigerte seinen Dienst, so dass ich einer der Frauen an den die Straße säumenden Erdbeerständen bat, mir ihr Handy zu leihen - vielen Dank dafür! Die Gegend um Areguá ist in Paraguay bekannt für Erdbeeren und Tonwaren.

Für uns bedeutete dieses Ankommen bei Helga und Jochen auch ein Ankommen im Urlaub, denn wir hatten ein erstes Ziel erreicht - nicht mehr das diffuse Gefühl von 'nur' vier Wochen und so endlos vielen Kilometern vor uns beherrschte uns, sondern das Eintauchen in das Leben von zwei Menschen, die uns bei dem vielen unglaublich leckeren Mahlzeiten Einblicke in ihre Lebenslinien gegeben haben. Jochen, im ersten Leben als BWLer im Bereich Marketing und PR mit eigener Firma tätig, verbrachte seine Kindheit u.a. im Hamburger Raum, ebenso Helga, die im Kreis Uelzen aufgewachsen ist und die erste weibliche Luftverkehrskauffrau bei der Lufthansa war - das war damals so neu, dass auf ihrem Abschlussbrief der 'Kaufmann' steht :-) Wenn Ihr, liebe Freunde, glaubt, unsere Reise sei ein Abenteuer, dann bleibt offen, wie es zu nennen ist, wenn man in den 1980er Jahren Land in Paraguay erwirbt und eine Estancia aufbaut, die inzwischen das Dreifache ihrer ursprünglichen Fläche umfasst. Wenn Helga und Jochen von ihren Erlebnissen hier berichten, beginnen die Augen der beiden zu leuchten und es ist, als könne man tatsächlich sehen, wovon sie erzählen.
Das großzügige Haus ist ringsum mit einer Veranda versehen und lässt uns morgens beim Frühstück über den Pool hinweg zum See schauen. Allein Jasper ist mutig genug, in den Pool zu springen, damit im südamerikanischen Winter wenigstens einmal das Einpacken der Badehose seine Berechtigung hatte. Zum Haushalt gehören Synthia und Franciso, die das Haus und das umligegende Gelände bewirtschaften und die beiden Katzen Molly und Tiner, letztere stets auf der Flucht vor Jasper, der zu laut und zu stürmisch ist. Wir wohnen im Gästehaus und fühlen uns in der Gesellschaft unserer Gastgeber sehr wohl, so dass wir nach unserem von Jochen empfohlenen Solo-Ausflug in den heißen Chaco zusammen mit den beiden zu ihrer Estancia aufbrechen werden, um dort zwei Nächte zu verbringen, bevor wir die tosenden Wogen der Iguazu-Wasserfälle bestaunen werden.

Sonntag, 26. Juli 2015

Wiederanreise mit Hindernissen

Ein halbes Jahr im "normalen" Leben ist vorüber und wir haben das Glück, noch einmal über den großen Teich zu unserem Ben fliegen zu können. Mittlerweile ist unsere große Reise schon so weit in den Hintergrund gerückt, dass diese fast schon irreal wirkt. Waren wir wirklich unterwegs?
Unser Sommerurlaubstripp beginnt wieder in Porto Alegre. Wir schrieben bereits, dass diese Stadt unsere Herzen nicht gerade im Sturm erobert hat. Aber jetzt, beim zweiten Anlauf... hat sich daran nichts geändert.Vielleicht liegt das auch daran, dass unser Koffer noch eine Extrarunde drehen wollte und wir ungeplant sogar zwei Nächte in PA bleiben müssen. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir dann im Busterminal - dick bepackt mit allen Koffern - feststellten, dass wir ein Ticket für den 24.8. statt des 24.7. erhalten hatten (allerdings können wir gegen einen Aufpreis und etwas Warterei dann doch noch gegen 22:30 Uhr einsteigen). Zwölf Stunden später landen wir dann im Paraiso Suizo, nehmen von Heinz und Silvia den Ben in Empfang und reisen gleich weiter, um zumindest etwas Wegstrecke noch zu schaffen. Sowohl hier als auch in Argentinien erhält man einen Eindruck davon, was "weites Land" bedeutet... und davon, wo eigentlich die ganzen Rindersteaks und Burgerbuletten herkommen. Auf dem ersten Teil unseres Roadtrips werden wir kaum auf Sehenswürdigkeiten im engeren Sinne stoßen. Ein Platz mit einem Haufen abgehalfterten Oldtimern in Paysandu wird wohl ein Highlight sein und bleiben. Wir bewegen uns hier "außerhalb der Saison", es ist "Winter". In der Tat wird es doch recht kühl (wo sind die dicken Oma-Elfriede-Wollsocken?). Auch einen Stellplatz (mit Toiletten) für die Nacht zu finden ist etwas schwieriger. Der Grenzübertritt zwischen Uruguay und Argentinien verläuft dagegen unkompliziert und die Fahrt verläuft zügig. Allerdings fühlt sich diese Reise bisher völlig anders, irgendwie noch nicht ganz passend an. Vielleicht legt sich das, wenn wir morgen in Paraguay sind oder spätestens in ein paar Tagen in Brasilien. Oder ist genau das die Herausforderung? Länderhopping und dennoch Gelassenheit und Ruhe bewahren?
Was ist geblieben? Leckere Fakturas in Urugay und Argentinien, Medialunas zum Frühstück (gibt's als Kombi als Oferta, was Markus stets erfreut) und die Feststellung, dass Jasper immer noch ein guter Reisefreund ist. Er ist zwar deutlich diskutierfreudiger als bei der großen Reise, dafür bereichert er Unterhaltungen im "Cockpit" mit so geistreichen Beiträgen wie "wisst ihr, Flugzeuge sind keine Boote, und Wohnmobile auch nicht". Geblieben ist auch, dass McD eine zuverlässige Quelle für neues Spielzeug ist und dass der Muck immer noch in seinen Kindersitz passt.
Heute haben wir unser Nachtquartier in Santo Tomé zeitig vor dem Sonnenuntergang erreicht, und hatten Gelegeheit den Bus mal ordentlich aufzuräumen  - nun können wir uns auch wieder Zeit nehmen, uns im rollenden zweiten Zuhause einzurichten!