Cartagena Beach

Cartagena Beach

Freitag, 26. Dezember 2014

Buenos Aires - das Paris Südamerikas! Und die moderne Verwendung von Guano...

Wir verbringen die Weihnachtstage in der Millionenmetropole Buenos Aires oder vielmehr "Puerto de Nuestra Señora Santa María del Buen Ayre" („Hafen unserer lieben Frau Maria der guten Luft“). Und das Schwierigste zuerst: Wir brauchten zwei Stunden, um einen Parkplatz zu finden, der noch Platz hat, uns über die Weihnachtstage aufnehmen wollte und auch noch über ein Tor mit einer Einlasshöhe über 2,50 Meter verfügt. Es war schwierig und langwierig, doch es hat geklappt. Uns erscheint die Stadt wie ein Mix ihrer drei vielleicht berühmtesten Repräsentanten: Carlos Gardel, Evita Peron, Diego Maradona.

Mit Frankreich, Uruguay und Argentinien erheben drei Länder (oder noch mehr) Anspruch auf das kulturelle Erbe des "Tangogottes" Carlos Gardel. Im Gegensatz zur Frage seines Geburtsortes ist unstrittig, dass er in Buenos Aires aufwuchs und hier seine Liebe zum Tango-(gesang) entdeckte (für Interessierte: http://m.youtube.com/results?q=carlos%20gardel&sm=12). Und Buenos Aires huldigt auch noch fast 80 Jahre nach dem tödlichen Flugzeugunglück (in Medellin) seinem Idol - und das wird auch weiterhin so bleiben. Überall erblicken wir CDs, Poster und sogar Gardelpuppen. Tangomusik und Tangotänzer gehören zum Stadtbild von B.A. wie der Roland nach Bremen. Doch auch darüber hinaus sprudelt es in der Stadt nur so vor Kultur: die Museen sind toll (wir genossen eine tolle Ausstellung im Museo de Arte Moderno, kurz MAMBA), es gibt hier ein riesiges Operngebäude (vor dem "Sydney-Bau" das größte auf der Südhalbkugel), eine imposante Kathedrale (hier predigte noch Jorge Bergoglio bevor er nach Rom fuhr und Papst Franziskus wurde) samt Ehrenwache vor dem Grabmal General San Martins (südamerikanischer Unabhängigkeitskämpfer) und... und... und...

Natürlich machen wir auch einen Abstecher zum Friedhof Recoleta, einer riesigen Totenstadt. Hier liegen ganze Generationen von Oberschichtlern, denen auch nach dem Tod der im Leben gewohnte Prunk nicht verweigert wurde. Wir schlendern zwischen Mausoleen, erhabenen Statuen und aufwendigen Mamorfassaden zum wohl berühmtesten Grab: Evita Duarte de Peron. Noch heute legen Fans und Anhänger Blumen an das Grab der Frau, die die Rolle der First Lady in Südamerika auf vorher nicht übliche Art gestaltete. Auf dem Balkon der Casa Rosada am Plaza de Mayo sprach sie zu ihren Anhängern und begriff sich als Kämpferin für das Frauenwahlrecht und Vertreterin der Armen. Dieses Engagement und ihr eigenes Aufwachsen in Armut machten sie nicht gerade zum Liebling der Etablierten (Oberschicht, Militär). Doch auch Beziehungen zu Nationalsozialisten bzw. zu Faschisten gehören zur kritischen Betrachtung der Vita der Perons. Anekdote am Rande: Da spätere Machthaber einen Mythos Evita verhindern wollten, wurde vorsorglich der Leichnam erst unter falschen Namen heimlich 1956 nach Mailand geflogen und erst 1974 wieder nach Buenos Aires gebracht. Da man aber auch dann noch eine Störung der Totenruhe befürchtete, sind in den beiden Särgen weder Evita noch Juan Peron. Evita Peron liegt in sechs Metern Tiefe unter einer schweren Stahlplatte sicher in der Familiengruft. Geblieben ist in Argentinien (und in B. A. ist das besonders augenfällig) eine große Kluft zwischen dem wohlhabenden und armen Teil der Bevölkerung (bzw. den vielen Obdachlosen): In den Stadtvierteln der Reichen sieht man paseaperros (professionelle Hundeausführer) und in der Nacht durchsuchen cartoneros (Wertstoffsammler) die Mülleimer.

Das Stadtviertel La Boca (Mündung) am Fluss Rio Riachuelo ist nicht gerade das Schickste von Buenos Aires, aber definitiv eines der Kultigsten. Der Caminito ist ein farbenfroher kurzer Fußgängerweg. Künstler zeigen hier ihre Werke, Tangotänzer stehen für Fotos bereit, und an den Ständen gibt es touristischen Schnickschnack zu kaufen. Einen Steinwurf entfernt steht La Bombonera (die Pralinenschachtel), das Stadion des traditionsreichen Fußballclubs Boca Juniors. Der Name ist Programm: Mitten im Wohngebiet war sehr wenig Platz, so dass die Ränge sehr steil ansteigen. Das Ergebnis ist eine Art Trichter, der die Fangesänge verstärkt. Zudem sind die Zuschauer eng "gepackt" (wie in einer Pralinenschachtel) und sehr nah am Spielfeld. Der berühmteste Spieler ist (mit der Nummer 10) Diego Armando Maradona: geschrieben nur DIOS. Tja, Bescheidenheit war nie die Sache des „Pibe de oro“ (Goldjunge). Andererseits ist Diegos Karriere mit seinen Höhen (Superstar, Weltmeister, Spieler des Jahrhunderts) und Tiefen (positive Dopingkontrolle, Drogenabsturz, krude politische Statements) auch ein adäquates Abbild vom etwas verruchten und dreckigen und doch so spannendem La Boca. Ohnehin ist das Thema Fußball zumindest bei uns der häufigste Gesprächsanfang (na, als Weltmeister). Mittlerweile kriegen wir es auch immer besser hin, bei Brasilianern von dem großen Pele und seinem Nachfolger Neymar und bei Argentiniern von DIOS und seinem Nachfolger Messi zu schwärmen. Heikel, das durcheinander zu bringen. Übrigens: Die Jugendlichen, die den Club Boca Juniors gegründet haben, konnten sich nicht auf die Vereinsfarben einigen. So einigten sie sich darauf zum Hafen zu gehen und die Flaggenfarben des nächsten Schiffes zu nehmen, das in den Hafen läuft: Es kam ein schwedisches Schiff (blau-gelb).

Was noch geschah... Heiligabend verbrachten wir in einer Parilla (Grillfleisch bis zum Abwinken) neben sehr netten Tischnachbarn aus Brasilien, denen wir bestätigten, das Pele besser als Maradona und Neymar besser als Messi sei. Die Feierlichkeit des Abends war ein bißchen anders gestaltet als gewohnt: Kurz vor Mitternacht gab es einen Countdown, dann stieß man mit Champagner an und bunte Hütchen und Masken lagen als Utensilien für Fotos bereit - hm, im Datum geirrt? Speziell auch die Musikauswahl dazu, denn Ace of Base, Right said Fred und Modern Talking ließen uns eher an weit zurückliegende Schulparties als an Heiligabend denken.
Am 1. Weihnachtstag wurden wir Opfer einer Guano-Attacke: Eine stinkende grüne Flüssigkeit sprenkelte sich plötzlich über unsere Kleidung. Zwei Passanten waren schnell zur Stelle und waren auch sehr bemüht uns abzutupfen, ihre Beschreibungen ließen einen riesigen fiesen Vogel mit Monster-Durchfall befürchten. Es war aber wohl nur der Versuch, unsere Aufmerksamkeit in himmlische Höhen zu lenken. Doch trotz Fleischbergen in der Magengegend war das Manöver etwas plump, so dass wir unseren Rucksack einfach nicht aus den Augen lassen wollten. Die beiden Strolche verzogen sich und wir gingen ins Hotel, um unsere Kleidung zu waschen. Nach dieser Geschichte mag das etwas seltsam klingen, doch können wir nicht verhehlen, dass uns Buenos Aires ausnehmend gut gefällt!

Sonntag, 21. Dezember 2014

Heiße Nächte im Moskito-Imperium

Solltet Ihr Euch je gefragt haben, wo eigentlich die vielen tausend Moskitos dieser Welt herkommen, wir machen gerade eine exklusive Tour durch ihr Imperium. Durch die Omnipräsenz von Flüssen im "Zweistromland", dem argentinischen Bundesstaat Entre Rios (= dt.: Zwischen Flüssen) wimmelt es nur von den Dingern und wir haben einen weiteren Grund, uns um so mehr auf unser Hotel in Buenos Aires zu freuen. Nach einem lauen Abend im Parque Predelta verbringen wir den Tag in der Stadt Paraná, wo wir uns den örtlichen Gepflogenheiten anpassen und erst mal ein zweites Frühstück mit Medialunas zu uns nehmen. Die Stadt ist nett, besitzt eine große Fußgängerzone und eine schöne große Kirche, in der gerade Instrumentalproben mit Orgel und Trompete für die Weihnachtstage stattfinden. Der Aufpasser in der Kìrche winkt uns gerade noch herein, bevor sich die Pforten zur Mittagpause schließen und strahlt mich, nachdem ich die Frage unserer Herkunt mit "somos de Alemania" beantwortet habe, mit drei Brocken Deutsch und "Ah, Deutschland, Deutschland über alles" an. Ähm, ja, ich lächele freundlich und frage irgendwas zur Kirche, um das Deutschland-Thema nicht weiter vertiefen zu müssen. Highlight in Parana ist der überfällige Friseurbesuch, frisch geföhnt fahren wir anschließend nach Villa Urquiza zum Campen am Fluss, da wir in Paraná nicht fündig wurden.
Der Platz ist super, die Leute freundlich, bezahlen müssen wir nix. Und zum ersten Mal auf der Reise kommt das Überwurfkabel zum Einsatz, als wir einem uralten Peugeot Starthilfe geben. Die Karre ist echt der Knaller, und als ich bemerke, dass der Zündverteiler Funken sprüht, wird mir klar, das der Wagen nicht nur optisch kurz vor dem totalen Organversagen steht. Der Fahrer bedankt sich für den Hinweis, nimmt gelassen die Rolle Isolierband heraus und tüdelt erst mal was drum - hilft immer. Als wir uns zum Abendessen an die Bänke setzen, starten die Moskitos eine Intifada und wir ziehen uns in den Bus zurück. Total ätzend, weil es immer noch recht warm ist, der Kühlschrank Abwärme produziert und wir drei sowieso, allen voran Jasper, der schon als Säugling ein echter Heizofen war.
Nach einer recht frischen Dusche am Strand brechen wir auf, um über Santa Fe und Rosario weiter nach Süden zu fahren. In Rosario machen wir einen Mittagsstop, sehen, dass die Stadt noch weitere nette Ecken hat, die einen zweiten Tag in der Stadt nahegelegt hätten, hätten wir es früher entdeckt. Egal. Wir kehren kurz zum erneuten Geldwechsel in die Ricofino ein (ja, das Geld fließt hier fleißig durch die Hände) und fahren dann nach Zarate, dass uns einen Campinglatz verspricht (ja, natürlich am Fluss und ja, auch wieder mit Moskitos, und ja, es ist am Abend wieder bullenheiß im Bus, weil der Ben einen ganzen Tag Zeit hatte, sich aufzuheizen, ja, klar, wie denn auch sonst!). Wir finden einen Platz, direkt am Fluss, wenn Schiffe vorbeifahren, meint man, die Reeling berühren zu können. Der Platz sieht ein bißchen schrottreif aus und die Dusche ist es auch, aber wenigstens bezahlen wir nur halb so viel wie auf den Plätzen nebenan, die auch keinen Deut besser aussahen. Auf dem Weg hierher gab's mal wieder eine hübsche Polizeikontrolle, wurde ja auch mal wieder Zeit. Nach der Prüfung der Papiere befand der Officer, dass uns der vermeintlich obligatorische Sticker mit unserer erlaubten Maximalgeschwingikeit fehle. Besser als der Kollege in Peru, wedelte er auch sofort mit dem Ticket-Block und sagte, dass der Strafzettel umgerechnet 100 Dollar koste. Er wolle das gar nicht hier haben, auf dem Strafzettel stehe die Bank, bei der es einzuzahlen sei.  Hin und her (Oh, mann, das ist aber viel Geld....ihre Kollegen haben uns gar nicht darauf hingewiesen, wir wurden doch schon öfter kontrolliert.... Ach, das ist wirklich unglücklich....blabla.) Wir ziehen es in die Länge und werden an den zweiten Officer im Wagen weitergereicht. Gleiches Lamentieren und Bedauern, dann meine zögerliche Frage, ob wir etwas machen könnten, was den Preis etwas senken könnte. Nun ja, ein paar Dollar würden wohl helfen.....Rumkramen in Rucksack, kleines Portemonnaie, oh, so ein Zufall, 30 Dollar sind noch drin. Wenn das für ihn ok wäre - nun es ist, aber ich soll fast in den Wagen krabbeln um das Geld zu überreichen, damit es ja kein anderer sieht. Die Moral von der Geschicht: Wir haben dazu gelernt und wissen nun, dass auch an dieser Stelle Verhandlungsspielraum besteht. Mein Spanisch ist besser als bei der ersten Kontrolle und, ach was soll's, außerdem ist ja auch bald Weihnachten!

In Zarate werden wir am ganz frühen morgen von einem heftigen Unwetter geweckt, der Wind rüttelt am Bus, binnen Sekunden geht draußen die Welt unter. Es gibt noch einen weiteren heftigen Nachschlag und den ganzen Tag über regnet es immer wieder. Das lässt uns recht schnell abreisen, denn wir wollen in all dem nassen Drumherum nicht frühstücken, sondern holen das wenige Kilometer weiter an der YPF-Tankstelle nach, wo wir zusammen mit vielen anderen Kaffee schlürfen und Medialunas essen. Wir fahren weiter nach San Antonio de Areco, einer Kleinstadt, in der es noch echte Gauchokultur geben soll. Der Ort ist nett, hat ein paar hübsche Geschäfte und Cafès, nur Gauchos sehen wir keine. Überhaupt ist es sehr ruhig, denn die vielen Regenschauer halten wohl viele von einem Ausflug hierher ab. Wir ziehen nach einem späten Mittagessen weiter nach Tigre, rund 40km außerhalb von Buenos Aires im Delta gelegen. Unsere erste Herausforderung ist, eine Stelle zum Auffüllen der Gasflasche zum Betreiben unseres Kühlschranks zu finden, was sich viel schwieriger gestaltet als in den vorherigen Ländern. Wir treffen auf viele hilfsbereite Argentinier, die uns zu verschiedenen Stellen schicken. Wir wollen schon fast aufgeben, fragen noch ein letztes Mal in einer Ferreteria und werden zu einem Rentner geschickt, der in seiner Garage einen Shop für Angler betreibt und auch Gasflaschen auffüllt. Er schaut sich die Gasflasche und unseren Adapter an, sagt, er müsse was prüfen und verschwindet erst mal in der Garage, aus der alsbald Gedengel, Sägegeräusche und Gehämmer zu hören ist. Derweil haben Jasper und Markus Kontakt zu den Nachbarn mit dem kleinen Schnauzer-Hund aufgenommen. Da der Tüftlermeister noch ein wenig Zeit braucht, kommen wir weiter ins Gespräch und werden anschließend mit Süßigkeiten und guten Wünschen für die weitere Reise bedacht. Wir revanchieren und mit einem Lüneburg-Lepporello und werden mit vielen Küsse  verabschiedet - echt herzig! Inzwischen hat der Hobby-Ingenieur ganze Arbeit geleistet und einen Adapter zum Adapter gebaut, den er uns gleich zur gefüllten Flasche mit dazu gibt. Außerdem ist er fast außer sich vor Freude, als ich seinen Fiat 127 mit netten Worten bedenke, weil es doch mein erstes Auto war. Nachdem wir uns über die Vorzüge des Fiat im Vergleich zu diesem neumodischen Elektronikkram in den Autos ausgetauscht haben, knutscht er mich und Jasper zum Abschied, drückt Markus die Flasche in die Hand und entlässt uns. Derart ausgestattet, aber ohne Idee, wo wir campen könnten, fahren wir durch Tigre. Das Hochwasser lässt alle Campgrounds im Delta absaufen und so beenden wir den Tag auf dem A.C.A.-Parkplatz an einem Kanal, wo wir unter den Augen der Polizei fein einschlummern. Tags drauf wechseln wir zu Christian Torlasco und seinem Bruder Sebastian, die eine Wohnwagen-Vermietung betreiben (Buenos Aires Andean Roads) und ebenfalls Stellplätze anbieten. Tigre selbst ist ein nettes Städtchen mit vielen Kanälen und einem alten Puerto del Frutos, der ein einziges Shopping-Feuerwerk ist, wo man neben Souvenirshops vor allem Einrichtungs- und Dekoläden findet. Hätten wir nicht die Nase voll vom vielen Wasser, hätten wir wohl auch eine Bootstour gebucht, so bummeln wir einfach durch die netten Straßen, in denen es tausende Möbelläden gibt. Ach, wenn man das nur alles mitnehmen könnte! Katja und Jens hätten hier auch bestimmt ihre Freude und könnten "Lagerhaus"- Kollektion erweitern. Wir bleiben insgesamt zwei Nächte bei Christian zusammen mit einem Mann aus Estland, der seit Jahren immer wieder mit seinem alten Mazda-Bus durch Südamerika fährt. Zum ersten Mal verbringe ich meinen Geburtstag in Flipflops und kurzer Hose, was wirklich schön ist, dennoch nehme ich den Winter gerne in Kauf, wenn es mit Eurer Gesellschaft einhergeht! (Ich weiß, es klingt ein wenig schwülstig, ist aber tatsächlich so gemeint!)
Morgen früh starten wir samt gewaschener Wäsche nach Buenos Aires, wo wir bis zum 27.12. bleiben werden.
Euch allen wünschen wir ein fröhliches Weihnachtsfest und schöne Tage zur Erholung!

Samstag, 20. Dezember 2014

Weekend Feeling in Córdoba, Schlendern in Rosario, Tierstudien im Nationalpark

Wir erreichen Cordoba am Samstagnachmittag und wie jede größere Stadt verfügt auch Cordoba über einen Camping Municipal, der einerseits Campingplatz, anderseits Naherholungsort für viele ist. So ist recht viel los, Gruppen von Autos und noch mehr Menschen platzieren sich rund um die gemauerten Grills, es tönt Musik aus allen Ecken, und das keineswegs nur aus den Boxen. Viele Leute singen, spielen Gitarre und lassen die Getränke kreisen, auf den Grills bruzeln z.T. ganze Ferkel. Die Menschen genießen das sonnige Wochenende in vollen Zügen, und wenn es nicht gegen halb neun einen kräftigen Schauer gegeben hätte, wären die sangesfreudigen Argentinier wohl bis spät in die Nacht geblieben. Wir verbringen den ganzen Nachmittag dort, die Hitze ist zu heftig, als dass wir uns aufraffen könnten in die Stadt zu fahren. Das holen wir am nächsten Morgen nach, betrachten eine freie Ausstellung im Paseo de Buen Pastor, schlendern durch die Fußgängerzone und an schönen Plätzen und Kirchen vorbei. Das, was fehlt, sind die Menschen. Am Sonntagvormittag ist Cordoba wie ausgestorben, nur wenige verirren sich ins Zentrum, was wirklich schade ist, denn etwas Lebendigkeit würde uns gut gefallen. Doch es ist nicht einfach, die richtige Zeit für einen Stadtbummel abzupassen: Viele Läden öffnen ab 10h, haben bis ca. 12:30h geöffnet, schließen dann bis um 17/18 Uhr und bieten dann bis abends die Möglichkeit zum Einkauf. Hinzu kommt die strikte Sonntagsruhe (am Vormittag) in Argentinien, was in vielen anderen Ländern nicht so war. Nimmt man noch die Feiertage hinzu, nun, da kommen nicht viele Geschäftszeiten zusammen. Andererseits bietet sich so eine beeindruckende Kulisse für Filme (28 days later, High Noon, etc.). Nach einem leckeren Mittagessen und einem sehr teuren Kuchen beenden wir den Stadtausflug und kehren zum Campingplatz zurück, der inzwischen wieder aus allen Nähten platzt. Tausende Familien, Gruppen von Männern, Barden, Troubadure - kurz: Die Fortsetzung vom Samstag ist in vollem Gange! Am späten Nachmittag bekommen wir Overlander Gesellschaft in Form eines riesigen MAN-Trucks, drinnen Stephen, Gilian, Alison und Lucy, die seit 18 Monaten unterwegs sind und noch weitere 2,5 Jahre reisen wollen. Der Grilltrupp neben uns geht auf Tuchfühlung mit Jasper und Markus, Jasper staubt zwei Würstchen ab und Markus eine Sporthose, ein Freundschaftsgeschenk an den, der mit dem Fußball zaubern kann. Wir lassen den Abend mit Gilli und Stephen ausklingen, als die Kinder in den Betten verschwunden sind.
Am nächsten Tag starten wir nach Rosario, machen unterwegs Halt an einer Raststätte, die von außen nur mittelgut aussieht, drinnen aber WiFi und ein schmackhaftes wie riesiges paniertes Hühnchen und Kartoffelpüree bietet. Das Radio belustigt uns mit einer verspanischten Version von 'Gangnam-Style', um uns danach völlig unvorbereitet auf eine Zeitreise zu schicken mit 'Herz aus Glas' von der Münchner Freiheit! In Rosario erwartet uns einerseits der städtische Campingplatz und zweitens Regen, Regen, Regen und jede Menge Donner und Blitz von 15 Uhr bis in die späten Abendstunden. Wir halten uns recht tapfer zu dritt im Bus, beschließen dann aber, zur Erbauung den großen Carrefour-Tempel am frühen Abend aufzusuchen, damit wir noch mal ein wenig mehr Bewegungsfreiheit genießen können. Nach köstlichen Empanadas lassen wir den Abend ausklingen und hoffen, dass der nächste Tag sonniger wird (fiat lux), und so ist es. Wir frühstücken in bruzeliger Sonne und fahren ins Zentrum von Rosario, das einst als mögliche Hauptstadt Argentiniens im Gespräch war. Die Stadt gefällt uns gut, auch wenn das Monumento de la Bandera marzialisch daher kommt. Zwischen leider recht vielen Bausünden der 60er und 70er Jahre finden sich tolle Gebäude mit verzierten Fassaden, imposanten Fensterbögen und viele Figuren. Wir steuern mal wieder einen diskreten Ort zum Blue Dollar -Umtausch an, diesmal die Bar Pico Fino, in der ruckzuck die Scheine die Besitzer wechseln. Schön dabei ist, dass wir uns direkt gegenüber der Banco Nacional befinden, wenn die wüssten.... würden sie wahrscheinlich auch nix dagegen machen.
Da wir noch ein wenig Zeit bis zum 23.12. haben, ab dem wir unser Hotel in Buenos Aires beziehen, machen wir einen Ausflug in nördliche Richtung zum Parque Predelta. Es ist ein kleiner Nationalpark, der Lagunen, Flüsse, viele Vögel sowie freien Eintritt und kalte Duschen bietet. Zusammen mit vielen Moskitos, unzähligen Glühwürmchen und anderem Krabbelvieh, das - ganz argentinisch - gegen Abend aktiv wird, werden wir hier eine ruhige Nacht in der Natur verbringen. Für Verhaltensforscher bietet dieser Park erstaunlich viele Hinweise auf operante Konditionierung: Die Vögel landen hemmungslos neben unseren Tellern, um das ein oder andere Stückchen zu stiebitzen. Fische patrollieren am Ufer entlang, da wohl einige Besucher bereits Brot in den Fluss geworfen haben. Uns bleibt die Hoffnung, dass die hier beheimateten Schlangen kein ähnliches Annäherungsverhalten zeigen. Gute Nacht!

Dienstag, 16. Dezember 2014

Immer weiter....

... westwärts führt uns die schnurgerade Straße, gesäumt von Sträuchern und Büschen, jedoch leider nicht so sehr von Tankstellen, die wir dringend brauchen. Nachdem wir hundert Kilometer weiter endlich auftanken können, fährt es sich entspannter und flotter. Nach dem schönen Ort Villa Dolores kommen wir der Sierra Grande und den Cumbres de Achala näher, die mit vielen feinen Örtchen und einer tollen Landschaft aufwarten - nach den dürren, brauen Ebenen in Chile eine wahre Augenweide! Ebenfalls eine Augenweide ist die Bandbreite dessen, was sich auf der Straße bewegt. Natürlich sind hier alle Automarken und Modell vertreten, die es auch bei uns gibt, aber eben auch solche, die bei uns schon "ausgestorben" sind, wie Ford Taunus und Ford Granada, Opel Kadett und auch der kleine Fiat 127, mein erstes Auto! Darüber hinaus haben wir in keinem Land auf der Reise so viele französische Wagen gesehen wir hier, und dass Peugeot einen Pickup im Programm hatte, das war wohl eine südamerikanische Besonderheit (die Begeisterung für derlei Sachverhalte ist eher bei Sabrina groß, Anmerkung des Lektors). Auch besonders ist der Anblick der schon aus Chile bekannten "kleinen Friedhöfe" rechts und links der Straße, nur dass hier z.T. Berge von Plastikflaschen an den Gräbern gestapelt werden, warum auch immer...
Unser nächster Stopp ist Villa Carlos Paz, beliebter Ferienort und mittelgroße Stadt, die alles bietet, was man braucht und noch mehr, denn das besondere Wahrzeichen der Stadt ist eine hausgroße Kuckucksuhr, eingespanischt heißt es dann El Reloj de Cu Cú. Der A.C.A.-Campingplatz des argentinischen Automobilclubs ist für zwei Tage unser Basislager, von dem aus wir die schöne Gegend erkunden. Das Wetter spielt nur in Teilen mit, es gibt immer wieder Gewitter mit kleinen und großen Schauern, so dass wir froh sind, mit dem Ben durch die Gegend zu fahren. Es geht vorbei an hübschen Orten, die sich allesamt dem Tourismus verschrieben haben, tausenden Töpferläden, wunderschönen Bushaltehäuschen hin zu groteskt häßlichen, noch im Werden stehenden Skuplturen, bei denen man darauf hoffen kann, dass es nie zur Vollendung kommen wird. Wir machen einen Abstecher ins Paradies (El Paraiso), und es sieht wirklich malerisch aus: Kleiner Fluss unterhalb der großen Staumauer, der sich durch Grashügel schlängelt, große Bäume, kleine Rastplätze - wunderschön (Markus rät zur Formilierung visuell ansprechend, da ich wunderschön überstrapaziere). Die Gegend scheint energetisch bedeutsam zu sein, auf jeden Fall zog und zieht sie viele Menschen an, die dafür empfänglich sind. Das schlägt sich auch in der Gestaltung des Ortes nieder, es gibt Energiepyramiden, in die man sich zur Meditation zurückziehen kann, ein UFO- Informationszentrum (ja, sie scheinen hier mehrfach gesichtet worden zu sein!) und unzählige Fernost-Massage/-Therapie etc. -Angebote. Zweiter Besuchermagnet in Capilla del Monte ist eine Felsformation, die optisch an einen Schuh erinnert und daher schlicht " El Zapato" heißt, hübsch rundherum dekoriert mit einem Mini-Spaßpark mit Rutschen und den üblichen Verdächtigen in puncto Kunsthandwerk. Zu Villa Carlos Paz ist ansonsten noch zu sagen, dass wir hier die zweite Variante des schwarzen Geldtauschs kennen lernen. Auf der Frage, wo wir zum curso parallelo tauschen könnten - der übrigens immer mehr zu unseren Gunsten ausfällt, je näher wir Buenos Aires kommen - bekommen wir folgende Anweisung: Geht diese Straße weiter gerade aus, überquert die Kreuzung und am Restaurant sowieso gibt es eine kleine Tür; dort klingelt ihr und fragt nach Vincente, wie im Film (& Vicente sieht auch ein wenig aus wie Kojak!)! Vincentes Büro ist professionell ausgestattet inklusive Security Cam und Geldzählmaschine, und dafür, dass es keiner wissen darf,  ist die Bude doch arg frequentiert.
Am nächsten Morgen fahren wir südwärts nach Alta Gracia, einem wunderschönen (und schon wieder) Städtchen mit alten Häusern, welches aus zweierlei Gründen einen Besuch wert ist: Eine große Jesuiten-Estancia aus dem Jahre 1643 sowie das Haus der Familie Guevara, in dem Che seine Kindheit und Jugend verbrachte. Wir statten Ches Zuhause einem Besuch ab und sind ganz angetan von dem kleinen, aber feinen Museum, dass im Jahr 2006 auch von Fidel Castro und Hugo Chavez besucht wurde. Insgesamt gefällt uns der Ort sehr gut und wir genießen die freundliche Wochenend-Atmosphäre rund um die Plaza und in der tollen Bäckerei, die uns mit Medialunas (Hörnchen oder Croissants) und Facturas (Puddingsteilchen) begeistert, bevor wir unsere Fahrt fortsetzen. Wir fahren durch eine grüne Mittelgebirgslandschaft, die man auch irgendwo in Deutschland finden könnte, bis wir plötzlich im Voralpenland angekommen, das sich im autofreien La Cumbrecita manifestiert: Häuser in Alpenarchitektur, Balkone mit geschwungenem Geländer, Läden, die selbstgebrautes Bier anbieten, hübsch gepflegte Wanderwege und überall Mülleimer, die zur Mülltrennung einladen - wie Zuhause! Und es ist wirklich frappierend, aber selbst die Landschaft scheint sich daran zu halten süddeutsch/österreichisch zu wirken. Wir schlendern einige Stunden herum und fahren dann weiter nach Villa General Belgrano, das sich rühmt, das größte Oktoberfest in Argentinien zu veranstalten, neben dem Torten- und dem Schokoladenfest versteht sich. Wir landen auf dem Campingplatz von Bettina und Ralph, letzterer kommt aus Hamburg und rät uns zum Besuch der Räucherkate in Stiepelsee, die von seinem Cousin Jürgen betrieben wird, wenn wir wieder zurück sind. Klein ist die Welt! Am nächsten Morgen fallen wir aufgrund unseres kleinen Wagens mit dem deutschen Nummernschild im Städtchen direkt auf, und wir werden wiederholt auf Deutsch angesprochen, ja, wie toll, dass wir aus Deutschland seien und dass wir den Aufenthalt genießen mögen. Villa General Belgrano wurde von Deutschen begründet. Georg Kaphuhn und Paul Heintze kauften 1932 ein ausgedehntes Gebiet, parzellierten es und boten es in den deutschsprachigen Ländern an. Später kamen auch italienische und spanische Familien, die Mehrheit blieben jedoch Deutschsprachige, so beispielsweise auch zahlreiche Überlebende des deutschen Kriegsschiffes Graf Spee, das sich 1940 im Río de la Plata vor Montevideo selbst versenkt hatte. Als wir uns zum Mittagessen im Cafe Rissen niederlassen, gibt es als Vorspeise Brot mit Leberwurst, welch eine Freude für zwei Drittel unserer Reisegruppe! Wir schlendern vorbei an Läden mit Namen wie Edelweiss, Engel, Sonnenplatz und Veilchental, man kann Bier von "Don Otto" oder "Otilia" kaufen und es sich zwischen Wimpeln und Bierhumpen mit Wappen gemütlich machen. Es ist echt schräg, wenn einem Argentinier mit dezentem Trachtenkleid oder Joppe entgegenkommen und so beschließen wir nach dem Mittagessen, dem Heimatverein den Rücken zu kehren und nach Cordoba zu tingeln.

Montag, 8. Dezember 2014

... und jetzt Argentinien

Es verbleiben uns noch ca. 1 1/2  Monate in Südamerika, bevor wir erst einmal wieder nach Deutschland fliegen. Obwohl das noch eine recht lange Zeit ist, fühlt es sich doch bereits wie ein sehr nahes Reiseende an. Eventuell liegt das auch daran, dass wir jetzt Richtung Osten fahren und somit unserem Abflugort immer näher kommen. Der Grenzübertritt war dieses Mal sehr einfach, da die chilenischen und argentinischen Beamten gleich nebeneinander im Grenzhäuschen saßen. Durch ein herrliches Gebirgspanorama fahren wir zu unserem ersten Stopp, der Puente del Inca. Das hat nichts mit den Inka zu tun, hört sich aber besser an als "durch Erosion entstandene Steinbrücke über den Rio Mendoza". Ein beeindruckendes Naturwunder ist es aber allemal. Wunderlich ist auch, dass vor uns eine weite, flache Landschaft liegt, die sich in der sengenden Hitze unendlich weit ausdehnt. Schauen wir in den Rúckspiegel, sehen wir die hohen Berge der Cordillieren mit ihren schneebedecktten Gipfeln, allen voran der 6962m hohe Aconcagua. In Uspallata wollen wir unseren ersten Campingplatz in Argentinien ansteuern und dafür noch etwas einkaufen. Erste kulturelle Erfahrung: Es gibt eine Mittagspause, die unbedingt eingehalten wird und je nach Stadt auch mal bis 18 Uhr dauern kann (Siesta!). Wir finden ein nettes Cafe, in dem uns die lange Mittagspause nichts anhaben kann im Ort, der eigentlich ein Wintersportort ist - zumindest künden die vielen Skier davon, die an der Decke der Casita Suiza lagern. Nach einer ruhigen Nacht auf dem Campingplatz wachen wir zu unserer Überraschung erst um 9 Uhr auf! Seit Santiago ist unser Tagesrhythmus voll auf den Kopf gestellt, da wir deutlich später ins Bett gehen, weil es seeeehr lange hell und v.a. heiß ist. Wir starten nach dem Frühstück mit der Besichtung der Petroglyphen am Cerro Tunduqueral, wo uns der Guard fachkundig eine Miniführung zu den zwischen 3000 und 10000 Jahre alten Steingravuren gibt. Danach fahren wir weiter auf staubiger Piste zum Cerro de 7 Colores, der in wirklich vielen Farben in der Sonne leuchtet. Anschließend geht es weiter nach Mendoza, dem Weinanbaugebiet Argentiniens, wo es den besten Malbec der Welt geben soll.
Nachdem wir den Campingplatz (mit Pool) erreicht haben, sinkt die Attraktivität einer Tour durch die unzähligen Weinberge dramatisch. Sprachen wir am Morgen noch davon, dass wir die Idee mit dem Rad zu den Bodegas zu fahren super fänden, scheint uns eine zu buchende Tour plözlich sehr verlockend, bis wir beschließen, von der Tour Abstand zu nehmen, da es einfach brüllend heiß ist. Wir machen nur einen kurzen Rundgang durch Mendoza, eine Stadt mit vielen breiten Alleen und netten Plätzen, die aber aufgrund des hiesigen Feiertags samt und sonders ausgestorben sind (Mendoza im stand by-Modus). Ein Highlight ist der Versuch, Geld umzutauschen. Wo wir sonst einfach immer zum Geldautomaten gegangen sind, wählen wir in Argentinien ein anderes Vorgehen, da der "offizielle" Kurs 1:8 am Automaten aufgrund der Wirtschaftskrise nicht der beste ist. Wir haben schon in Uspallata im Hotel Dollar zum Kurs von 1:11 getauscht und suchen auch hier ein Hotel auf. Konspirativ sagt die Dame an der Rezeption, dass sie das nicht dürfe, aber wenn wir ihr folgen wollten, zeige sie uns, wo wir tauschen könnten. Wir gehen 10 Meter zu den Hoteltaxis, dort steigt Markus auf Bitten den Fahrers ein. Er lässt den Motor an - wo will er mit Markus hin? Alles gut, er machte den Motor an um die Klimaanlage laufen zu lassen, wie  nett.

Der nächste Tag beginnt mit einem ausgedehnten Frühstück, dann brechen wir auf nach Maipu. Hier, nur wenige Kilometer von Mendoza entfernt, reihen sich die Bodegas aneinander, man hat die Qual der Wahl. Wir spazieren zum nationalen Weinmuseum, das in einer schicken Jugendstil-Villa beheimatet ist. Hier lebten zwei Einwanderer, die vor geraumer Zeit das erste große Weingut in Maipu gründeten und dem Städtchen so zu Wohlstand verhalfen. Nach der privaten Führung im Haus werfen wir noch einen kurzen Blick in die aktuelle Bodega und machen uns auf den Weg in Richtung Osten. Wir wissen, dass die Strecke nach Cordoba zu lang ist um sie in einem Stück zu schaffen, daher haben wir den Nationalpark Sierra de las Quijadas als Platz für die Nacht ausgeguckt. Auf der Fahrt quält uns die Hitze, bis das Wetter sich zu ändern beginnt. Nach einigen kurzen Metern Blindflug durch Sand, der vom stärker werdenden Wind auf die Fahrbahn geblasen wird, braut sich am Himmel viel Dunkles zusammen. Der Wind zieht heftig an unserem Bus und dann geht es auch schon los, ein nicht enden wollender Lärm als Rosenkohl-große Hagelbrocken auf den guten Ben prasseln. Nachdem es in der Nacht noch zwei Wiederauflagen des Gewitters mit vielen Blitzen und Donner gab, war von Hitze nicht mehr viel zu spüren.

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Santiago

Wir sind zurzeit in Santiago de Chile und haben unser rollendes Zuhause gegen ein Domizil im Stadtteil Las Condes eingetauscht. Hier wohnen Alban und Maren mit ihrer kinderreichen Familie und haben uns die Tür zu ihrem Zuhause geöffnet. Jasper ist ganz vernarrt in den sechsjährigen Lucian und ist schon morgens im Pool zu finden, wo er rumplanschen kann. Alban ist Leiter des LBI, einer kleinen deutschprachigen Pädagogischen Hochschule, die einst durch eine Initiative der Deutschen Schulen in Chile gegründet wurde, um die Lehrerausbildung in enger Verzahnung mit dem Schulalltag praxisnah aufzubauen. Wir genießen unseren Aufenthalt hier sehr und fühlen uns in der Großfamilie total wohl. Die Innenstadt von Santiago haben wir gestern erkundet, haben leckerste Empanadas zu uns genommen und ich wurde vom chilenischen Fernsehen interviewt. Die Plaza de Armas wurde neu gestaltet und soll in Kürze freigegeben werden, am gesterigen Tag wurden Passanten zu ihrer Meinung befragt, ob die Neugestaltung eine gelungene sei.
Während wir die heißen chilenischen Sommertage im schattigen Garten verbringen, ist unser Ben in der Werkstatt, weil wir seit Bolivien eine nur noch z.T. funktionierende Automatikschaltung haben. Manuelles Schalten funktioniert super, aber das mit der Automatik war schon eine feine Sache... Davon hängt es nun ab, wie viel Zeit wir in Santiago haben, andererseits haben wir bis Mitte Januar auch noch einige Kilometer vor uns, so dass wir hoffen, bald wieder weiterziehen zu können. Heute Abend stehen Weihnachtsmarkt und Adventssingen in der Deutschen Schule Santiago auf dem Plan, mal sehen, wie sich dass bei 30-40°C so anfühlt!
So, wir sind zurück vom Weihnachtsmarkt, und es war sehr schön, auch wenn sich beim Anblick hunderter FlipFlops und Sommerkleider kein Weihnachtsgefühl einstellen wollte. Der Markt war super, es wurden neben Kuchen und Plätzchen Keramik, Textilien, Deko-Artikel und so weiter angeboten, viele Eltern und noch mehr Kinder wuselten im Hof der Schule herum. In der Aula/Turnhalle gab es das Adventssingen, der Musiklehrer kämpfte fröhlich gegen den nie ganz abebbenden Lärmteppich an, der zwischen den Stuhlreihen und ansteigenden Rängen herumwaberte. Das Finale nach 21 Liedern war natürlich "Stille Nacht, heilige Nacht", bei dem in der Halle hunderte Kerzen angezündet wurden und das Deckenlicht ausgeschaltet wurde. An dieser Stelle ergeht ein herzlicher Gruß an Jürgen Meyer, dem bei dem Anblick dieser vielen offenen Flammen in der Halle bestimmt ganz anders geworden wäre!
Der Freitag beginnt frisch, man könnte sagen eisig kalt, denn nach den vergangenen heißen Tagen kann sich die Sonne nicht durch die Wolkendecke arbeiten. Wir spazieren durch Las Condes und besuchen das Pueblito Los Dominicos, eine alte Klosteranlage, in den nun Kunsthandwerk und Cafes ihre Heimat gefunden haben. Auch ein großer Geflügelkäfig ist zu sehen, wo uns ein Pfau mit seinem Federkleid mächtig beeindruckt. Den Aussichtspunkt, um Santiago von oben zu sehen, schenken wir uns, da die Smogglocke, die über der Stadt hängt, die Sicht auf wenige hundert Meter reduziert. Am Freitagnachmittag können wir unseren Ben aus der Werkstatt abholen, das Handicap mit der Schaltung ist nicht behoben, dafür gab es Öl- und Filterwechsel (und vergessene Papiere, wie sich später rausstellen sollte). Am kommenden Morgen wollen wir weiterreisen und der tolle Aufenthalt bei Maren und Alban geht seinem Ende entgegen. Doch ein Highlight gibt es noch: Die Kinder putzen alle fleißig ihre Schuhe und stellen sie vor die Tür, denn der Nikolaus nimmt auch den weiten Weg nach Santiago de Chile auf sich. Jasper putzt zum ersten Mal seine Schuhe zu diesem Zweck und ist doch recht konsterniert, als Marian ihn auffordert, den Schuh dann vor die Tür zu stellen. Am nächsten Morgen dann weiß er zu schätzen, warum Marian ihn dazu drängte. Doch auf dem Weg zur Nikolausüberraschung gibt es ein Hindernis: Es hat vier Beine, heißt Finja und scheut nicht davor, sich in Nullkommanix 5 Schoko-Nikoläuse samt Verpackung einzuverleiben! Nach einem SOS-Brief von Lucian an den Nikolaus ist alles gut, der hat seine Reserven, mit denen er die Kinder erfreuen kann. Nach einem gemeinsamen Frühstück verabschieden wir uns von Maren, Alban, Juliane, Felipe, Marian, Lucian und Celian (und Finja), die uns herzlich in ihr Haus aufgenommen haben und mit denen wir bezaubernde Tage in Santiago verbracht haben. Wir machen uns über den serptentinigen Paso de los Libertadores auf den Weg in das 6. Land unserer Reise: Argentinien!

Conclusio Chile: Uns wurde gesagt, dass das "wahre Chile" erst südlich von Santiago beginne, so dass wir lediglich einen ersten Eindruck wiedergeben können. Chile hat einen Wirtschaftsboom erlebt, zum Teil auf den reichhaltigen Bodenschätzen der Atacamawüste begründet. Dieser öde wirkende Flecken führte zuerst dazu, dass die Spanier Chile gar nicht kolonialisieren wollten, später hauten sich Peruaner, Bolivianer und Chilenen im Salpeterkrieg die Köpfe ein, um diese Ressourcen zu sichern. Mit diesem Boom einhergehend, kann man in Chile an vielen Stellen die Vorteile einer wohlhabenden Nation erleben: guter Straßenzustand, stabile Internetverbindungen, reichhaltiges Lebensmittelangebot. Andererseits sind damit auch merklich die Preise für Kraftstoff und Lebensmittel gestiegen. Das Reisen in Chile ist im Vergleich zu den bisherigen Ländern recht teuer. Doch auch innnerhalb der Bevölkerung gibt es große Unterschiede: Es herrscht eine große Kluft zwischen dem kleinen wohlhabenden Teil und dem großen Teil, der lediglich mehr oder weniger über die Runden kommt. Infolgedessen hat sich auch das Kriminalitätsproblem (insbesondere in Santiago) vergrößert. Sehr spannend für uns ist die Rolle der "deutschstämmigen" Bevölkerung in Chile. Im 19. Jahrhundert gab es einen regen Zuzug und - man glaubt es kaum - bei dem Anblick von chilenischem Oktoberfest und dem Hören deutscher Weihnachtslieder (inklusive den Berichten von teils recht(s) konservativen Ansichten dieser Gruppe) darf man sich schon einmal fragen, was hier eigentlich die Leitkultur in Chile ist. Und wie groß ist der Integrationswille so mancher Deutschen? Wer möchte, kann gerne einmal googlen, wie die Fahne DES Sportclubs in der Stadt, Sportclub Manquehue, aussieht. Irgendwie wirkt es wie historisch daneben gegriffen, recurriert aber auf das, was Markus im vorangegangenen Satz andeutete. Richard von Weizäcker weigert sich damals beim Staatsbesuch, den Club zu betreten, wenn die Fahne gehisst bliebe - so ging der hohe Besuch am Traditionsclub vorbei.