Cartagena Beach

Cartagena Beach

Mittwoch, 19. August 2015

Epilog

"Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen." Recht hat er, der Claudius. Und doch fällt es mit jeder Woche, die wir länger in Südamerika unterwegs sind, schwieriger, eine Antwort auf die scheinbar so banale Frage, "und, wie war es?", zu finden.
Von der ersten Idee bis zum Anfang der Reise gab es einen Vorlauf von ca. zwei Jahren. Wir konnten durch unseren angehängten Sommertripp das Ende ein wenig hinausschieben, so dass dieser Abschnitt unseres Lebens drei Jahre dauert. Dieser Reise-Appendix ist jetzt durch den Verkauf von Ben auch zu Ende und folglich wird das der letzte Blog-Eintrag sein. Ein anderer Overlander sagte, dass er keinen Urlaub mache, sondern eine Reise. Vielleicht ist es das. Aus Urlauben konnte ich auch immer herrlich berichten: Tempel, Kirchen, Schlösser, Berge, Täler, Flüsse, Meere, Seen, Burgen, Festungen, Städte, Dörfer, kulturelle Besonderheiten, tralala. Doch diese Reise unterscheidet sich davon. Wir waren über einen langen Zeitraum 24 Stunden am Tag auf relativ engem Raum zusammen. Wir haben Menschen in einer ähnlichen Situation (andere Overlander) und Menschen in einer völlig anderen Lebenslage (Einheimische, die kein Geld fürs Reisen haben) kennenlernen dürfen. Wir haben gelernt, Hilfe anzunehmen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Wir wurden von Menschen zu Hause aufgenommen, denen wir kurz zuvor noch unbekannt waren und die es dennoch scheinbar mühelos geschafft haben, dass wir uns von Anfang an willkommen gefühlt haben.
Was bleibt?! Schaun mehr ma! Ein Nebeneffekt der Reise ist, dass der Kopf wieder voller Ideen steckt. Wir haben sehen und erleben dürfen, dass viel mehr möglich und machbar ist, als wir im Alltag annehmen. Es bedarf bisweilen einer bewussten Entscheidung dafür oder dagegen und wir hoffen, dass wir uns dafür zukünftig immer mal wieder die Zeit nehmen werden und nicht im Strudel des "würde ich ja auch gerne machen, kann ich aber ja nicht" untergehen.

Wir sind dankbar dafür, dass wir diese Erfahrung machen durften und konnten. Dass wir dieses Abenteuer so gut mit unserem Berufsleben in Marienau in Einklang bringen konnten. Dass Jasper ein meistens pflegeleichter und äußerst robuster sowie freundlicher Gefährte war. Dass unser Ben so ein guter und treuer Reisebegleiter war. Dass einige Kolleginnen und Kollegen Aufgaben für uns übernommen haben. Dass fremde Menschen uns behilflich waren und Freunde wurden. Dass wir mit anderen Reisenden Erfahrungen austauschen und Erlebnisse teilen durften. Dass zuhause Menschen an uns gedacht und den Kontakt gehalten haben (das war manchmal sehr wichtig). Dass Ihr, liebe Blog-Leser, dieses Erlebnis mit uns geteilt habt. Dass wir zuhause von lieben Menschen gefragt wurden, "...und, wie war es?" So schwierig auch die Antwort darauf ist, es tut gut, persönliches Interesse zu erfahren. Last not least: Liebe Sabrina! Ich danke Dir dafür, dass wir zusammen den Entschluss zu diesem Wagnis getroffen haben und dass ich die vielen Erlebnisse mit Dir teilen konnte. 

"Um den vollen Wert des Glücks zu erfahren, brauchen wir jemand, um es mit ihm zu teilen.“ (Mark Twain)



Dienstag, 18. August 2015

Wenn sich der Kreis schließt - zurück nach Uruguay

Das Erwachen in Torres ist vor allem neblig, in der Nacht hat es zwar nicht geregnet, aber die Luftfeuchtigkeit war so hoch, dass an den Blättern der Bäume Wasser herunter tropfte. Das nasse Ambiente veranlasste uns zu einem "Cockpit-Frühstück", es war köstlich und sorgte für einen frühen Start. Entlang der Ruta 101 brausen wir Richtung Süden und nähern uns Porto Alegre, das wir aber dieses Mal in der Tat links liegen lassen. Unser Stopp für die Nacht ist Pelotas, und auf dem Weg zum Campingplatz wollten wir noch mal eben schnell im Supermarkt Brot für den nächsten Morgen kaufen. Aus "eben mal schnell" wurde eine gute halbe Stunde, und Markus und Jasper machten sich schon Sorgen, warum ich nicht zurück käme. Ich war in eine Art Großmarkt mit Supermarkt-Charakter geraten: Hier kauften ganz normale Kunden ein, offensichtlich keine gewerblichen Einkäufer, aber da die Einkaufswagen anderthalbmal so groß waren wie die handelsüblichen Einkaufskutschen (keine Übertreibung, das war echt so!), passten so viele Waren rein, dass eine vierköpfige Familie davon einen Monat zehren kann! Ich kam mir recht verloren vor, als ich mich mit meinen drei Artikeln an der Kasse anstellte. Um mich größer zu machen habe ich sogar extra noch nach Geschnuggels (andere kennen es als Naschkram, Süßigkeiten) aus der Quengelzone mitgenommen. Meine Minibeute aus dem Supermarkt schien auch keinen anderen Kunden dazu zu bewegen, mich vorzulassen, nein, es war eine Übung in Geduld und Demut....
Ähnlich verhielt es sich auch mit der Campingplatzsuche, denn diese 400 km weiter im Süden zu sein bedeutete, dass es spürbar kühler war als in Santa Catarina, und wir fanden nach einiger Mühe "Ecocamping Pelotas" verschlossen vor. Viele Leute waren so freundlich, uns den Weg dorthin zu beschreiben, aber leider hatte keiner erwähnt, dass der Platz vielleicht nicht ganzjährig betrieben würde. Nun ja, wir campten einfach davor, die große Lagoa dos Patos nur eine Handbreit vom Ben entfernt. Gut erholt und des Nachts bewacht vom großen Baum, unter dem wir standen, fuhren wir weiter durch Rio Grande do Sul, dem südlichsten Bundesstaat Brasiliens. Die Straße verläuft schnurgerade zwischen Meer und Lagunen und wir passierten ein großes Naturschutzgebiet, in dem das Tempolimit bei 50 km/h lag. Wir fragten uns noch warum, da begegneten uns ganz viele Carpinchos (Wasserschweine), die aussehen wie riesige, aufgegangene Meerschweinchen. Sie gehören tatsächlich zur gleichen Familie, sind die größten Nagetiere der Welt und lieben die häufig unter Wasser stehenden, flachen Wiesen der Region. Leider sind sie auch recht furchtlos beim Überqueren der Straße, was wir aus den vielen nicht mehr so lebendigen Exemlaren am Straßenrand schlossen. Unterwegs begegneten uns Richtung Chui bzw. Chuy immer wieder Gruppen von einheitlich gekleideten Reitern, die mit der Flagge Brasiliens sowie weiteren regionalen Flaggen gen Norden ritten. Wir vermuten, dass sie zu einer der zahlreichen Kundgebungen wollten, mit der am vergangenen Sonntag 900.000 Brasilianer gegen die Politik von Dilma Rousseff protestieren.
Der Grenzübergang verlief wieder einmal erfreulich unkompliziert auf brasilianischer Seite, und, nachdem wir das Büro gefunden hatte, auch auf uruguayischer. Wir komplettieren nun die Fahrt auf der Ruta 9 in Uruguay, denn das letzte Stückchen hatten wir im Sommer ausgelassen. Es ist fein, Bekanntes wiederzusehen, allerdings ist der saisonale Unterschied frapierend: Während in Santa Catarina auch zu dieser Zeit Leben an der Küste ist, wirkt die Küste hier wie ausgestorben. Es lässt sich kein Euphemismus finden, es ist recht trostlos und außerdem grau-nasse 13°C kalt. Laut Campingführer ist La Aguada-Camping, wo wir im Sommer auch schon waren, ganzjährig geöffnet, aber wohl eher theoretisch. Die Praxis führt dazu, dass wir den einzigen wenigstens bewohnt scheinenden Campingplatz ansteuern, unsere vom Abendessen übrigen Würstchen an den kläffenden großen Hund verfüttern, der uns daraufhin auf dem Platz willkommen heißt - leider bleibt er mit dieser netten Geste alleine. Nachdem wir den Platz zur gründlichen Ben-Reinigung genutzt haben und auch nach zwei Stunden keiner auftaucht, beschließen wir, an den Strand umzusiedeln und den Abend mit Meerblick ausklingen zu lassen. Noch etwas zum Thema Bekanntes wiedersehen: In Brasilien gab es sie nicht, aber kaum sind wir über die Grenze gefahren, entdecken wir Autos, an denen alles fehlt und klappert, Blechteile wehen im Wind und wir fragen uns, was diese Karre (s.u.) überhaupt noch fahren lässt - einige Kilometer später können wir die Frage beantworten: Nichts mehr, denn der Wagen steht mit geöffneter Motorhaube am Straßenrand!
Der nächste Tag beginnt mit Kofferpacken und Aufräumen, dann fahren wir wenige Kilometer weiter nach Antoniopolis zu Hector und Vicky in das gelbe Haus auf dem Hügel. Es fällt uns leicht, an den vergangenen Sommer anzuknüpfen und mit Hector plaudernderweise den Nachmittag zu verbringen bis Vicky von der Arbeit kommt und unsere Runde erweitert. Hector ist Schriftsteller und arbeitet zuhause, Vicky ist Umweltingenieurin. Das Haus ist fantastisch eingerichtet und toll gelegen, vom Esstisch aus blickt man auf das Meer, und in ca. einem Monat kann man von dort aus auch die Wale sehen - irgendwann auch wir bestimmt mal. Wir verbingen den Tag mit Tee trinken und Pizza backen, außerdem damit, unsere gewaschene Bettwäsche vor dem Kamin hin und her zu drapieren, denn da es draußen inzwischen in Strömen regnet, hält sich der Trocknungsvorgang sehr in Grenzen. Dass die beiden in diesem Haus wohnen, ist eine Win-Win-Situation für Mieter und Vermieter gleichermaßen: Im Sommer wird es an Touristen vermietet und bringt sehr viel Geld ein, was leider dazu führt, dass die beiden leider ausquartiert werden. Für den Rest des Jahres jedoch ist jeder Hausbesitzer froh, wenn die Häuser bewohnt und somit bewacht und belebt sind. Manchmal werden Menschen sogar dafür bezahlt, im Winter dort zu wohnen - kurios! 
Nach einem kleinen Frühstück brechen wir auf zu Felix, der ca 150 km entfernt von Antoniopolis wohnt. Das Herz ist uns schon ein bißchen schwer, auch wenn wir natürlich froh sind, dass der Verkauf geglückt ist. Felix wohnt nicht alleine, sondern die gesamte Familie Schneider (Vater, Mutter und drei erwachsene Söhne) plus Felix' Frau Claudia sind vor sieben Jahren nach Uruguay ausgewandert und haben sich einen Campo gekauft, auf dem sie Alpacas und Schweine halten, letztere, um sie entweder zu verkaufen oder selbst daraus Wurstwaren herzustellen. Nach Übergabe und einer kurzen Probefahrt laden wir die Koffer um, denn Felix und Claudia haben freundlicherweise angeboten, uns nach Montevideo ins Hotel zu bringen, da sie selbst auch gerne in die Stadt möchten. Das war der letzte Ben-Akt, und auf der Fahrt realisiert auch Jasper dies, reklamiert, dass wir ihn lieber wieder abholen sollen :-)

Unser Hotel war eine gute Wahl für die letzten Tage des Urlaubs und Montevideo gefällt uns erneut sehr gut. Aufgrund der Lage des Hotels im Stadtteil Pocitos sehen wir noch mal andere Ecken als beim ersten Aufenthalt, und zusammen mit dem Wetter wirkt es ein wenig wie Hamburg im Herbst.

Freitag, 14. August 2015

Strandgenuss und Kilometer schrubben

Wir sind im brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina unterwegs und es ist wunderschön hier: Die Küste entlang gibt es tolle breite Sandstrände mit winterlich tosenden Wellen, die unentwegt ans Ufer branden. Wir steuern das "Herz" der Region an, Florianopolis. Die Stadt liegt an der Spitze der Ilha da Santa Catarina und ist mit dem Festland über eine große Brück verbunden. In der Nähe des schönen Mercado Publico machen wir Halt, stromern durch das fußgängerbezonte Zentrum, und unser Ziel ist O Padeira do Sevilha, eine Bäckerei, die Herzhaftes und Süßes anbietet und den Gaumen zum Genusstempel werden lässt. Mit gut gefülltem Bauch und leckeren Brötchen in der Tasche fürs nächste Frühstück verlassen wir die Insel der Bäckerkunst, gehen noch ein wenig shoppen und Jasper bekommt neue Schuhe, die er am liebsten gar nicht mehr ausziehen möchte. Plötzlich sind Anstrengung und Müdigkeit, die ihn zuvor kaum mehr einen Meter gehen ließen, wie weggeblasen :-).
Als Übernachtungsplatz haben wir uns Camping Rio Vermelho im gleichnamigen Naturreservat ausgeguckt, und wir erreichen das Tor des Platzes zusammen mit Ute und Volker. Außerdem lernen wir Tanja und Martin aus Österreich kennen, die mit dem zweijährigen Moritz seit Januar Südamerika bereisen. Es dauert nicht lang, da vermissen wir Jasper und finden ihn im österreichischen Camper, so als gehörte er schon immer dazu. Nach kurzem Revierabstecken spielen die beiden gut miteinander und das volle Maß der Seligkeit ist erreicht, als Jasper das Laufrad von Moritz ausleihen darf, da das seine seit gestern ein defektes Kugellager hat. Der Campingplatz ist 500m vom Strand entfernt, man läuft durch dichten Wald, der sich hinter niedrigen Dünen zu einem breiten, völlig leeren Strand öffnet. Auf der anderen Seite sind es 200m bis zur Lagoa da Conceição - einer Lagune innerhalb der Insel, vom Meer nur durch einen Streifen Land getrennt, auf dem die Straße verläuft, die den Norden mit dem Süden der Insel verbindet. Zur low saison, in der wir uns hier befinden, ist es hier ruhig und beschaulich, doch die Anzahl der Cafés und Kneipen, Hotels und (Kite-) Surfschulen lässt erahnen, wie es hier im Sommer zugehen mag. Martin erfuhr im Gespräch mit den Campingplatzleuten, dass im Sommer bis zum 1000 Gäste am Tag das Areal bevölkern! Santa Catarina ist ein großartiges Urlaubsziel und bei der Tour über die Insel sehen wir viele hübsche Plätze. Ein Ort, in dem es Surfer-Denkmäler gibt, muss ein chillig-harmonisches Plätzchen sein. Außerdem hat die Insel auch jetzt ihren Reiz, denn von Juli bis November wandern Wale nordwärts an der Küste entlang, zum Teil so dicht vor der Küste, dass man sie vom Strand aus sehen kann. Doch ähnlich wie im Fall des Anden-Condors haben wir leider kein Glück, einen Blick auf die riesigen Meeressäuger zu werfen. Wir bleiben dran und versuchen es weiter im Süden erneut.

Apropos Fahren: Auf brasilianischen Autobahnen fährt es sich super, der Zustand der Straßen ist sehr gut, wir kommen zügig voran und werden von Kilometer zu Kilometer froher, denn die Maut reduziert sich von 11,90 Reales auf 1,90 Reales. Während der Preis sinkt, steigt die Qualität der Trassen, man hat fleißig ausgebaut, so dass wir stets um Städte herum geleitet werden anstatt mittendurch. Etwas befremdlich hingegen ist, dass einige Raststätten Kundschaft mit großen Werbetafeln anlocken wollen, deren zentrale Botschaft ist " Komm zu uns, hier gibt es leckeres Bier für wenig Geld!". Wozu das führen kann, haben wir gestern am späten Abend gehört, denn während wir noch draußen saßen, hörten wir in der langgezogenen Straße trommelfellzerreißendes Reifenquietschen, daraufhin das dumpfe Gerumpel von Blech auf Gras und dann - nichts mehr. Tanja, Martin und Markus sprinteten los und fanden an der Unfallstelle tief im Graben im Gebüsch schon einen anderen Helfer, der noch schneller gewesen war als sie. Als nächstes sahen beide, dass er den Fahrer aus dem Unfallwagen zog und diesen torkelnd und offensichtlich sturzbetrunken zu seinem eigenen Auto lotste - das Motto der Stunde: Schneller weg sein als die Polizei es schafft hier anzukommen. Sehr merkwürdiges Spektakel und ein großes Glück, denn der Mann war augenscheinlich unversehrt, sieht man von blauen Flecken und dem zu erwartenden Mega-Kater am nächsten Tag ab.
Nach einer überschwenglichen Verabschiedung am heutigen Morgen von Moritz und Jasper führen wir die Mission "Kilometer schrubben" fort und machen uns auf den Weg Richtung Süden. Einen Zwischenstopp legten wir an der Praia do Rosa, einem wunderschönen Strand, ein. Doch auch hier scheitert unser Walbeobachtungsversuch. Heutiger Halt ist Torres, wo wir bei der Fazenda Carla campieren und uns den Platz mit einem alten Platzwart-Ehepaar und dem dazuhörigem Bullen teilen, während die verlassenen Dauercamper Wohnwagen auf mehr Besuch in einigen Monaten hoffen. Einen besonderen Gruß senden wir heute an Tobi, treuer Leser unseres Blogs und fürsorglicher Wiederankommens-Begleiter im Januar diesen Jahres. Ein öffentliches Danke dafür und auf ein baldiges Kaffeetrinken bei uns in Marienau!

Mittwoch, 12. August 2015

Über Curitiba bis Blumenau: es deutschelt

Curitiba ist einigen von Euch vielleicht als brasilianischer VW-Standort bekannt, andere - aus der Erdkunde-Fraktion - kennen die Stadt, weil sie oft als Beispiel für gelungene Stadtentwicklung herangezogen wird. Doch auch wenn das Verkehrskonzept verglichen mit anderen brasilianischen Städten super ist, eine autofreie, blitzsaubere Supercity ist es nicht, denn zur Rush Hour schiebt sich auch hier eine endlose Blechlawine durch die Stadt. Wir verleben einen ruhigen und erholsamen Sonntag, der mit einem ausgiebigen Frühstück beginnt, sich im Nichstun und Spielen mit der Camping-Katze unter seltsam sportlichen Cheerleader-Bäumen ("die Hände zum Himmel") fortsetzt und mit einem Besuch im Centro Historico abschließt. Im Zentrum findet ein großer Markt statt, der sich nicht recht zwischen Fress-Festival, Flohmarkt und Haushaltswaren entscheiden kann, aber dennoch einen netten Zeitvertreib zum Schlendern darstellt. Am Montag beschäftigen wir uns mit Wartungsarbeiten, damit wir den Ben in Topform an Felix übergeben können. Einerseits ist es fein, dass wir uns mit einem Käufer einigen konnten, andererseits bereitet uns die anstehende Trennung von unserem treuen Ben auch eine Menge Wehmut. Highlight des langen Tages bei Mercedes war, dass wir zur Mittagszeit einen Gutschein erhielten, mit dem wir uns am Buffet in der Mitarbeiterkantine laben konnten. Außerdem haben wir den ganzen Tag frei Haus brasilianisches Fernsehen geschaut, Morning Show und Soaps inbegriffen. Jasper nutzte die langen Sofas im "Sala Estar" für einen dreistündigen Mittagsschlaf und bekam im Laufe des Tages Chips, Getränke und Ausmalbilder zugesteckt. Mit einem fitten Ben, zwei Benz-Basecaps und einem Süßigkeitenbeutel fuhren wir zu einer weiteren Nacht bei Camping No Sol. Am Dienstag schließlich geht es weiter nach Pomerode - ja, es klingt nach Harz und von dort kamen auch die Gründer! Wir genehmigen uns ein deftiges Mittagessen mit Stampfkartoffeln, Bratwurst und so weiter im Gasthof "Siedlerthal" und mäandern durch die hügelige Landschaft nach Blumenau, wo jährlich das größte Oktoberfest in Südamerika gefeiet wird.
Bei dem klangvollen Namen haben wir eine pittoreske Kleinstadt mit Markt, Kirche und vielen Cafés mit bombastischem Kuchen vor Augen, nun ja, manchmal liegen Wunsch und Wirklichkeit weiter auseinander als man denkt! Das "Städtchen" hat ca. 380.000 Einwohner, ist zergliedert zwischen Bergen gelegen und die Architektur ist wenig atemberaubend: Die wenigen Fachwerkhäuser, die wir sehen, sind eigentlich neue Bauten, auf deren weißen Außenputz man "Fachwerk" aufmontiert hat. Blumenau wurde 1850 vom deutschen Apotheker Hermann Blumenau gegründet. Die Ortslage am Fluss sorgte im Laufe der Jahre für das ein oder andere Hochwasser, so dass sowohl die Kinder als auch die Gattin von Herrn Blumenau für die Rückreise nach Deutschland 1884 plädierten, wo Hermann Blumenau im Jahre 1899 verstarb. Später wurden die Gebeine exhumiert und nach Blumenau überführt (dieses sollte jede Person bedenken, die mit dem Gedanken spielt, eine Stadt zu gründen). Zum Thema Kuchen: Im Cafehaus des Hotels Gloria gibt es sehr zu Markus' Freude Kuchen und Buffet, aber ansonsten wird Blumenau es definitiv nicht unter die Top Five unserer Reisehighlights schaffen. Insgesamt ist das Deutsch-Getümel komisch, denn genau genommen geht es um Wurst und Fleisch, Bier, Bier und Bier und einem Weißwurst-Gonglomerat aus Bayern, Österreich und Polka. Natürlich fällt auf, dass viele Firmen, Orte und Straßen deutsche Namen tragen und manchmal gibt es auch neben den Ortsnamen wie Widmarsum und Schroeder I +II und Brauereien namens Eisenbahn und Schornstein witzige Mischungen wie Alfonso Krämer. Der Campingplatz in Blumenau ist eigentlich der grüne Hof einer Schreinerei, die Johannes Herwig gehört, und liegt fußläufig zum großen Oktoberfestgelände, das eigentlich ein schnödes Messeglände ist mit einigen "Original"-Häusern im Eingangsbereich. Was den Aufenthalt gut werden ließ: 1. Der Park beim "Villa Germanica" ist am Abend Sporttreffpunkt für Jogger, Inlineskater und Radfahrer und hat in der Mitte einen tollen Spielplatz, auf dem Jasper sich verausgabt. 2. Leckere Suppe bei "Essen Platz" im Foodcourt des nahen Einkaufszentrum. 3. Wir campierten nicht alleine, sondern haben Ute und Volker aus Stuttgart getroffen, die mit ihrem Toyota seit 9 Monaten in Südamerika reisen. Diese Begegnung verschaffte uns einen angenehmen Abend in freundlicher Gesellschaft.

Freitag, 7. August 2015

Das wird spritzen - die Iguazu-Fälle

Und dann kommen die Wasserfälle. 275 Wasserfälle genau genommen. Ca. 6500 Kubikmeter Wasser (6,5 Millionen Liter Wasser) jede Sekunde, jede Sekunde, jede Sekunde. Ein unerschöpflicher Strom an Wassermengen, die sich über die Klippen in die Tiefe ergießen. Auf der brasilianischen Seite hat man wohl den besseren Panoramablick und bisweilen wirken die gerade geschossenen Bilder wie kitschige Fakes vor einer Fototapete (es fehlen nur noch die Delphine vor dem Mond). Aber es ist alles real, das merkt man an den Touristen, die sich alle anstrengen ein Bild zu schießen, auf dem sie alleine zu sehen sind. Natürlich machen wir das genauso. Und dabei sind derzeit verhältnismäßig wenige Touris unterwegs. Auf der argentinischen Seite ist das "Erlebnis" größer. Stege über dem Wasser führen ganz nah an den "Teufelsschlund", aus dem mächtige Fontänen in die Höhe schießen und sämtliche Besucher in einen Nebel feiner Tropfen hüllen. Der Legende nach gab es ein göttliches Eifersuchtsdrama: Der Gott Mboi wurde von der im Kanu mit ihrem Geliebten fliehenden Naipu zurückgewiesen. Der Gott erzürnte und ließ das Flussbett einbrechen, so dass die riesigen Wasserfälle entstanden. Auf unseren Wanderungen am Rio Iguazu entlang werden wir ständig von Nasenbären begleitet, die Touristen als Versorgungsstellen kennengelernt haben. Die lustigen Gesellen verwandeln sich allerdings schnell in einen Rudel angriffslustiger Diebe, wenn es irgendwo verdächtig raschelt. Nach diesen "Quatis" erhalten wir im Vogelpark auch noch die Möglichkeit, viele gefiederte Freunde zu bestaunen... und eine Schlange zu streicheln. Es fühlt sich erstaunlich weich und warm an, dennoch zieht sich der Magen etwas zusammen. Das erinnert irgendwie an das erste Mal "verliebt sein". Diese zwei Tage sind sicherlich ein absolutes Highlight unserer gesamten Südamerika-Tour, dennoch (oder vielleicht gerade deshalb) fällt es unglaublich schwer, dieses WOW-Erlebnis in Worte zu fassen. Die Natur (oder der Gott Mboi) war ein begnadeter Baumeister!

Es schwingt etwas Wehmütiges mit, als wir durch das Tor unserer Unterkunft Richtung Curitiba fahren. Ein Naturwunder hinter uns und die Entfernung zu unserem Ziel verringert sich ab jetzt nur noch.

Dienstag, 4. August 2015

Bye bye Paraguay

Nach den wunderbar erholsamen Tagen steht jetzt der Abschied aus Paraguay an. Dafür fahren wir ostwärts nach Ciudad del Este (wie der Name schon sagt). Vor dem Grenzübertritt nach Brasilien sehen wir uns noch ein Sightseeing-Highlight Paraguays an: Der Itaipu-Staudamm war bis zur Fertigstellung des Dreischluchten-Stausees in China das größte Kraftwerk der Erde. Dieses ca. 200 Meter hohe und ca. 7,7 km lange Bauwerk wurde zwischen 1975 und 1982 gebaut und hat eine Kraftwerksleistung von 14000 MW (für die Nicht-Physiker: total viel). In einem feinen Werbefilm wurden uns diese und weitere Details präsentiert. Kritische Aspekte (die Umsiedlung von 40000 Guarani-Indianern und die Abholzung von Regenwald) blieben unerwähnt. Danach fuhren wir in einem Bus um und über die Staudammmauer und es ist in der Tat atemberaubend, welch monumentales Bauwerk die Naturgewalt des Stausees zähmt und daraus Energie gewinnt.
Vielleicht ist das auch insgesamt ein zentrales Thema Paraguays: die dauerhafte Auseinandersetzung zwischen einer teilweise lebensfeindlichen Natur (z.B. im trocken-heißen Chaco) und dem Menschen, der dann dieser Natur in zähem Ringen immer mehr Territorium abtrotzt (bisweilen über das Sinnvolle hinaus). Paraguay steht bei den wenigsten auf der Liste angestrebter Reiseziele und auch wir sind eher durch den Zufall bzw. aufgrund einer ausgesprochenen Einladung  während eines zufälligen Treffens hierher gekommen. Doch diese Arrangements des bewussten Lebens bieten bisweilen die erholsamsten und vielleicht auch passendsten (gibt es diesen Superlativ überhaupt?) Momente. Neben diesen Wissensbrocken gibt es auch noch Lustiges zum Thema "Grenzübertritte " zu berichten: Von Posadas/Argentinien passiert man eine laaange Brücke über den Rio Paraná, wobei man vorher die Migración besucht und den Zoll-Zettel abgibt auf argentinischer Seite - alles straff organisiert. Auf der anderen Seite in Paraguay wartet der Mann im Migracións-Häuschen schon, während man beim Zoll erst mal das Personal quer durch die Halle zusammentrommeln muss. Aber auch das war schließlich geschafft, muy tranquiiiilo, por favor! Da der Beamte allerdings Probleme beim Verstehen der Papiere hat, lässt er einfach einen anderen den Rest erledigen. Es bleibt unklar, ob dieser andere einer der Busfahrer ist, der mit etwas Englischkenntnissen gesegnet eh nach Lust und Laune die Stempel in Eigenregie benutzt. Bei der Ausreise in Ciudad del Este zur "Brücke der Freundschaft" staut es sich, wir werden weiter gelotst, kleiner Umweg und - zack -, sind wir an der Spitze des Staus; alles braust los und wir mittendrin, fast wären wir an der Migración und dem Zoll auf paraguayischer Seite vorbeigefahren (hat keinen interessiert, wir sind aber aus einem anderen Kulturkreis), weil wir dem quirligen Strudel der Massen gefolgt sind. Dann steht plötzlich alles still, weil die Brücke wechselseitig als Einbahnstraße geführt wird. Zusammen mit vielen anderen und vor allem hunderten gelben Moto-Taxis warten wir und als der Weg frei gegeben wird, prescht alles los! Auf der anderen Seite reisen wir also 13 Tage nach der Landung in Porto Alegre erneut in Brasilien ein - und nach Aduana fragt hier kein Mensch, so dass wir flott durchbrausen zum wunderbaren Campingplatz Paudimar in Foz do Iguacu!
Was uns aus Paraguay im Gedächtnis bleibt: Tausende Motels, die mit fantasievollen Namen locken - um Liebespaaren für einige Stunden ein Zuhause zu geben! In Paraguay ist dies der Zufluchtsort für Paare, (nicht für einsame Männerherzen!), die in ihren eignen vier Wänden keine Privatsphäre finden, weil sie mit der Großfamilie unter einem Dach wohnen.
Was wir vielleicht doch hätten kaufen sollen: Eine "Termo" mit dem Konterfei des Paptes, um diese Thermoskannen-Sonderedition unser Eigen nennen zu können! Dieses formschöne Utensil würdigt auch in Zukunft den viel beachteten Papstbesuch in Paraguay im Juli diesen Jahres!

Wir verabschieden uns von diesem kleine  Land mitten in Südamerika und sind sehr froh, uns die Zeit zur Erkundung und für die Einladung von Jochen und Helga genommen zu haben!