Cartagena Beach

Cartagena Beach

Montag, 5. Januar 2015

Im Land von Diego Forlan

Obwohl uns der Campingplatz in Las Cañas ausnehmend gut gefällt, wollen wir doch schnell weiter. Silvester steht vor der Tür. Da wir dieses Fest nicht mit unseren Freunden feiern können, wollen wir zumindest einen Ort ansteuern, der etwas mehr zu bieten hat. Nach einem kleinen Mittagsstopp in Mercedes (inklusive Bummel durch das Örtchen), holpern wir mit unserem Ben weiter über doch recht löchrige Straßen. Nicht weit entfernt liegt Colonia del Sacramento, ein Örtchen, das wohl auf jeder Liste von Touristen in Uruguay steht. Kopfsteingepflasterte Straßen führen durch malerische Gässchen, der Ausblick auf den Rio de la Plata verheißt Entspannung und die Historie bietet auch für Geschichtsinteressierte so einiges: Die Portugiesen gründeten 1680 Colonia als strategischen Brückenkopf, um Waren nach Buenos Aires (spanisch) zu schmuggeln und das eigene Gebiet (bzw. das von Portugiesen kontrollierte Gebiet in Südamerika) besser verteidigen zu können. Im Laufe der nächsten Jahre gab es immer wieder Auseinandersetzungen um Colonia mit (besonders) Spanien, England, Argentinien, Brasilien, in deren Verlauf die Oberhoheit häufiger wechselte. Dem Charme der Stadt konnte das wenig anhaben, so dass Colonia 1995 in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten aufgenommen wurde. Dem weiblichen Drittel unserer Reisegruppe gefällt allerdings ein Werbeplakat mit dem "schönen Diego Forlan" (oller Owen Wilson-Verschnitt) mehr als das historische Drumherum. Zugegeben, die Ästhetik der Stadt versinkt zunehmend in wolkenbruchartigen Regenschauern und die Frisur von Diego Forlan hält. Vielleicht ist dieser Wetterwechsel auch der Grund dafür, dass unsere Silvesterpläne ins Wasser fallen: drei verschniefte Schnupfnasen husten sich ein "feliz año nuevo" im Ben entgegen, um dann kurz nach Mitternacht endlich einschlafen zu dürfen.
Vielleicht ist der nächste Ort eine Erholung für uns. Wir hörten von einer Estancia (großer Landsitz) mit Pferden, der sich in der Nähe einer valdensischen und schweizerischen "Niederlassung" auf Tourismus eingestellt haben soll. Wir kurven ewig auf Feldwegen umher und stehen endlich vor... einem geschlossenen Tor. Dann halt nicht. Da Uruguay doch eher ein Zwerg unter den südamerikanischen Ländern ist, fahren wir einfach nach Montevideo weiter (ist ja auch nicht mehr weit). Der Campingplatz ist schnell gefunden, liegt mitten im Wald und ist bereits vom Duft zahlreicher Lagerfeuer olfaktorisch gekennzeichnet. Uruguay scheint DAS Campingvolk zu sein, wobei die Atmosphäre eher an ein Festival erinnert: überall dröhnt Musik aus Boxen, Fleisch liegt auf dem Grill, die Anfahrt erfolgt mit teils abenteuerlich überladenden Fahrzeugen, die wohl den gesamten Hausstand transportieren (inklusive Fernseher, großem Kühlschrank, Sofas). Am Abend erleben wir noch die Relativität der Schönheit: hunderte in den letzten Sonnenstrahlen zwischen den Bäumen schwirrende Libellen (sehr, sehr schön) vs. vier in unserem Ben dieser umhersausenden "Helikopterinsekten" (gar nicht schön). Demgegenüber erleben wir Montevideo an den nächsten zwei Tagen als (unrelativiert) schön, was eventuell auch am heimischen Kuchen im Cafè Oro del Rhin (Rheingold, hört hört) und leckerem Essen mit an uns sehr interessierten montevideños liegen könnte. Ein knapp über 130 Meter hohes Stadthügelchen wurde gleich doppelter Namensgeber dieser Metropole. Das europäische "Monte" (Hügel) und das "Yvyty" (Felsen) der einheimischen Guarani bildeten die Kombination, aus dem später der jetzige Stadtname wurde. In einem Land, in dem die höchsten Erhebungen gerade mal die 500 Meter streifen, scheint das Anlass genug für die Benennung zu sein. Bereits die Fahrt nach MV wirkte auf uns in etwa wie eine Tour durch das deutsche MV (Mecklenburg-Vorpommern): viele Kühe, grüne Wiesen, weites Land und eben keine Berge. In Montevideo (1,3 Millionen) hat sich dann gleich ein Drittel der Bevölkerung Uruguays versammelt, kein Wunder also, dass der Rest des Landes so dünn besiedelt ist. Montevideo wurde más o menos aus den gleichen Gründen wie Colonia del Sacramento gegründet - nur eben von den Spaniern. Interessanterweise befürchteten die "Spanier" in Buenos Aires einen unwillkommenen Konkurrenten am Rio de la Plata, so dass deren Einfluss dazu führte, dass in der Gründungszeit Montevideos nur Befestigungsanlagen und sakrale Bauten aus "überdauernden" Materialien errichtet werden durften, Wohnraum nur aus Lehm oder Tierhäuten. Aus dieser Zeit gibt es also nicht mehr allzu viel zu bestaunen. Dennoch gibt es beeindruckende Bauten in Montevideo, die in ihrem seltsamen Mix (Betonbauten neben Jugendstilhäusern, neo-klassizistische Albert-Speer-Gedächtnisbauten neben schnuckeligen Kolonialhäuschen) eine recht eigentümliche und fast schon gemütliche Atmosphäre zum Rummäandern schaffen. Auch die Kultur kommt nicht zu kurz: Wir entscheiden uns zwischen all den Museen für das Espacio de Arte Contemporáneo, einem ehemaligen Gefängnis, das zeitgenössische Kunst beherbergt, und dem Mausoleum des Nationalhelden José Artigas. Montevideo ist also ein feines Plätzchen, das für das weibliche Drittel unserer Reisegruppe auch wieder mit haufenweise Diego Forlan-Werbeplakaten aufwartet. Doch rückt auch das vorläufige Ende unserer Reise immer näher, so dass wir uns noch (frühzeitig) mit Tickets für den Nachtbus nach Porto Alegre (unserem Abflugsort) ausrüsten und dann mit dem Ben in den verbleibenden Tagen die Atlantikküste abfahren.

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