Cartagena Beach

Cartagena Beach

Dienstag, 18. August 2015

Wenn sich der Kreis schließt - zurück nach Uruguay

Das Erwachen in Torres ist vor allem neblig, in der Nacht hat es zwar nicht geregnet, aber die Luftfeuchtigkeit war so hoch, dass an den Blättern der Bäume Wasser herunter tropfte. Das nasse Ambiente veranlasste uns zu einem "Cockpit-Frühstück", es war köstlich und sorgte für einen frühen Start. Entlang der Ruta 101 brausen wir Richtung Süden und nähern uns Porto Alegre, das wir aber dieses Mal in der Tat links liegen lassen. Unser Stopp für die Nacht ist Pelotas, und auf dem Weg zum Campingplatz wollten wir noch mal eben schnell im Supermarkt Brot für den nächsten Morgen kaufen. Aus "eben mal schnell" wurde eine gute halbe Stunde, und Markus und Jasper machten sich schon Sorgen, warum ich nicht zurück käme. Ich war in eine Art Großmarkt mit Supermarkt-Charakter geraten: Hier kauften ganz normale Kunden ein, offensichtlich keine gewerblichen Einkäufer, aber da die Einkaufswagen anderthalbmal so groß waren wie die handelsüblichen Einkaufskutschen (keine Übertreibung, das war echt so!), passten so viele Waren rein, dass eine vierköpfige Familie davon einen Monat zehren kann! Ich kam mir recht verloren vor, als ich mich mit meinen drei Artikeln an der Kasse anstellte. Um mich größer zu machen habe ich sogar extra noch nach Geschnuggels (andere kennen es als Naschkram, Süßigkeiten) aus der Quengelzone mitgenommen. Meine Minibeute aus dem Supermarkt schien auch keinen anderen Kunden dazu zu bewegen, mich vorzulassen, nein, es war eine Übung in Geduld und Demut....
Ähnlich verhielt es sich auch mit der Campingplatzsuche, denn diese 400 km weiter im Süden zu sein bedeutete, dass es spürbar kühler war als in Santa Catarina, und wir fanden nach einiger Mühe "Ecocamping Pelotas" verschlossen vor. Viele Leute waren so freundlich, uns den Weg dorthin zu beschreiben, aber leider hatte keiner erwähnt, dass der Platz vielleicht nicht ganzjährig betrieben würde. Nun ja, wir campten einfach davor, die große Lagoa dos Patos nur eine Handbreit vom Ben entfernt. Gut erholt und des Nachts bewacht vom großen Baum, unter dem wir standen, fuhren wir weiter durch Rio Grande do Sul, dem südlichsten Bundesstaat Brasiliens. Die Straße verläuft schnurgerade zwischen Meer und Lagunen und wir passierten ein großes Naturschutzgebiet, in dem das Tempolimit bei 50 km/h lag. Wir fragten uns noch warum, da begegneten uns ganz viele Carpinchos (Wasserschweine), die aussehen wie riesige, aufgegangene Meerschweinchen. Sie gehören tatsächlich zur gleichen Familie, sind die größten Nagetiere der Welt und lieben die häufig unter Wasser stehenden, flachen Wiesen der Region. Leider sind sie auch recht furchtlos beim Überqueren der Straße, was wir aus den vielen nicht mehr so lebendigen Exemlaren am Straßenrand schlossen. Unterwegs begegneten uns Richtung Chui bzw. Chuy immer wieder Gruppen von einheitlich gekleideten Reitern, die mit der Flagge Brasiliens sowie weiteren regionalen Flaggen gen Norden ritten. Wir vermuten, dass sie zu einer der zahlreichen Kundgebungen wollten, mit der am vergangenen Sonntag 900.000 Brasilianer gegen die Politik von Dilma Rousseff protestieren.
Der Grenzübergang verlief wieder einmal erfreulich unkompliziert auf brasilianischer Seite, und, nachdem wir das Büro gefunden hatte, auch auf uruguayischer. Wir komplettieren nun die Fahrt auf der Ruta 9 in Uruguay, denn das letzte Stückchen hatten wir im Sommer ausgelassen. Es ist fein, Bekanntes wiederzusehen, allerdings ist der saisonale Unterschied frapierend: Während in Santa Catarina auch zu dieser Zeit Leben an der Küste ist, wirkt die Küste hier wie ausgestorben. Es lässt sich kein Euphemismus finden, es ist recht trostlos und außerdem grau-nasse 13°C kalt. Laut Campingführer ist La Aguada-Camping, wo wir im Sommer auch schon waren, ganzjährig geöffnet, aber wohl eher theoretisch. Die Praxis führt dazu, dass wir den einzigen wenigstens bewohnt scheinenden Campingplatz ansteuern, unsere vom Abendessen übrigen Würstchen an den kläffenden großen Hund verfüttern, der uns daraufhin auf dem Platz willkommen heißt - leider bleibt er mit dieser netten Geste alleine. Nachdem wir den Platz zur gründlichen Ben-Reinigung genutzt haben und auch nach zwei Stunden keiner auftaucht, beschließen wir, an den Strand umzusiedeln und den Abend mit Meerblick ausklingen zu lassen. Noch etwas zum Thema Bekanntes wiedersehen: In Brasilien gab es sie nicht, aber kaum sind wir über die Grenze gefahren, entdecken wir Autos, an denen alles fehlt und klappert, Blechteile wehen im Wind und wir fragen uns, was diese Karre (s.u.) überhaupt noch fahren lässt - einige Kilometer später können wir die Frage beantworten: Nichts mehr, denn der Wagen steht mit geöffneter Motorhaube am Straßenrand!
Der nächste Tag beginnt mit Kofferpacken und Aufräumen, dann fahren wir wenige Kilometer weiter nach Antoniopolis zu Hector und Vicky in das gelbe Haus auf dem Hügel. Es fällt uns leicht, an den vergangenen Sommer anzuknüpfen und mit Hector plaudernderweise den Nachmittag zu verbringen bis Vicky von der Arbeit kommt und unsere Runde erweitert. Hector ist Schriftsteller und arbeitet zuhause, Vicky ist Umweltingenieurin. Das Haus ist fantastisch eingerichtet und toll gelegen, vom Esstisch aus blickt man auf das Meer, und in ca. einem Monat kann man von dort aus auch die Wale sehen - irgendwann auch wir bestimmt mal. Wir verbingen den Tag mit Tee trinken und Pizza backen, außerdem damit, unsere gewaschene Bettwäsche vor dem Kamin hin und her zu drapieren, denn da es draußen inzwischen in Strömen regnet, hält sich der Trocknungsvorgang sehr in Grenzen. Dass die beiden in diesem Haus wohnen, ist eine Win-Win-Situation für Mieter und Vermieter gleichermaßen: Im Sommer wird es an Touristen vermietet und bringt sehr viel Geld ein, was leider dazu führt, dass die beiden leider ausquartiert werden. Für den Rest des Jahres jedoch ist jeder Hausbesitzer froh, wenn die Häuser bewohnt und somit bewacht und belebt sind. Manchmal werden Menschen sogar dafür bezahlt, im Winter dort zu wohnen - kurios! 
Nach einem kleinen Frühstück brechen wir auf zu Felix, der ca 150 km entfernt von Antoniopolis wohnt. Das Herz ist uns schon ein bißchen schwer, auch wenn wir natürlich froh sind, dass der Verkauf geglückt ist. Felix wohnt nicht alleine, sondern die gesamte Familie Schneider (Vater, Mutter und drei erwachsene Söhne) plus Felix' Frau Claudia sind vor sieben Jahren nach Uruguay ausgewandert und haben sich einen Campo gekauft, auf dem sie Alpacas und Schweine halten, letztere, um sie entweder zu verkaufen oder selbst daraus Wurstwaren herzustellen. Nach Übergabe und einer kurzen Probefahrt laden wir die Koffer um, denn Felix und Claudia haben freundlicherweise angeboten, uns nach Montevideo ins Hotel zu bringen, da sie selbst auch gerne in die Stadt möchten. Das war der letzte Ben-Akt, und auf der Fahrt realisiert auch Jasper dies, reklamiert, dass wir ihn lieber wieder abholen sollen :-)

Unser Hotel war eine gute Wahl für die letzten Tage des Urlaubs und Montevideo gefällt uns erneut sehr gut. Aufgrund der Lage des Hotels im Stadtteil Pocitos sehen wir noch mal andere Ecken als beim ersten Aufenthalt, und zusammen mit dem Wetter wirkt es ein wenig wie Hamburg im Herbst.

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